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Von wegen Traumdestination: Viele Neuseeländer haben die Nase voll und wandern aus
Touristen aus Europa verklären Neuseeland als Sehnsuchtsort. Doch viele Einheimische packen für immer die Koffer. Was ist da los?

Türkisfarbene Seen, pittoreske Strände, geheimnisvolle Riesenbäume, üppige Schafweiden, geerdete Einheimische mit einer perfekten Work-Life-Balance. So präsentiert sich Neuseeland in Werbespots und Imagekampagnen. Als wäre es ein Märchenland, wo Wein und Honig fliessen.
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Viele Europäer fühlen sich von der fernen und zugleich westlich geprägten Destination magisch angezogen. Sie umrunden die Nord- und Südinsel mit dem Camper. Andere kaufen eine Farm und lassen sich für immer im vermeintlichen Paradies nieder. Superreiche Unternehmer aus dem Silicon Valley kaufen Weingüter oder ganze Landstriche.
Und die Einheimischen? Sie ziehen gerade in grosser Zahl weg. Das angebliche Traumland mit einer Gesamtbevölkerung von 5,3 Millionen Einwohnern hat im vergangenen Jahr 47 000 Bürger verloren. Obwohl auch Neuseeländerinnen und Neuseeländer zurückkehrten, resultierte 2024 ein negativer Saldo in der Kategorie Einheimische. Mit anderen Worten: Die Auswanderer übertrafen die Rückkehrer.
Australische Abwerbungskampagne
Rund die Hälfte der Kiwis – so nennen sich die Neuseeländer selber –zieht es nach Australien. Angesichts höherer Löhne und Altersrenten bleibt dort am Ende des Monats rund ein Drittel mehr auf dem Konto. Diese Einkommensdifferenz vergrössert sich seit Jahren. Und offenkundig ist sie ein starkes Argument, zumindest in den Werbekampagnen australischer Firmen und Behörden. «Warmer days and higher pays», lockt die australische Polizei, die in Neuseeland rekrutiert. Wer kommen will, erhält Umzugszulagen von 10 000 bis 20 000 Franken.
Australische Agenturen suchen auch gezielt nach medizinischem Personal. Kommt hinzu, dass die Hürden für einen Wechsel ins Nachbarland niedrig sind: Wer einen neuseeländischen Pass besitzt, braucht in Australien keine Arbeitsbewilligung.
Während sich die australische Wirtschaft solide entwickelt, steigen in Neuseeland die Arbeitslosenquote, die Kriminalität, die Firmenkonkurse und die Zahl der Obdachlosen. Laut einem Bericht der Heilsarmee beziehen 400 000 Einwohner Sozialleistungen, so viele wie seit Anfang der neunziger Jahre nicht mehr.
Die Misere lässt sich nicht einfach dem konservativen Premierminister Christopher Luxon anlasten. Vor ihm regierte die sozialdemokratische Labour Party. Jacinda Ardern, international als progressive und empathische Politikerin gefeiert, hatte wirtschaftlich keine glückliche Hand. Nach ihrem abrupten Rückzug aus der Politik im Januar 2023 war ihr Nachfolger Chris Hipkins mit Aufräumen beschäftigt. Nur Monate später verdrängte Luxon die Linken von der Macht.
Eine Traumdestination bleibt Neuseeland für Migranten aus China, Indien oder den Philippinen. Allerdings betrachten manche die neue Heimat lediglich als Zwischenstopp. Nach Erlangung der Staatsbürgerschaft ziehen sie weiter. Auch bei ihnen steht Australien zuoberst auf der Wunschliste.
Ob das bisherige Rezept – die Abwanderung mit Migranten aus Schwellenländern kompensieren – weiterhin aufgeht, ist zweifelhaft. Neuseeland verliert zunehmend qualifizierte Arbeitskräfte. Laut Experten besteht das Risiko, dass der «Braindrain» durch die Neuankömmlinge nicht ausgeglichen werden kann. «Es gehen die Besten und Smartesten», bilanziert Paul Spoonley, Soziologe an der neuseeländischen Universität Massey.
Die Regierung lockt mit «Goldenen Visa»
Die neuseeländische Regierung bemüht sich derweil intensiv um vermögende Neuzuzüger. Seit dem 1. April ist es bedeutend einfacher für Investoren, ein Dauervisum zu erwerben. Die Behörden senken die Anforderungen an die Mindest-Investitionssumme, die Aufenthaltsdauer im Land und die Englischkenntnisse. Spezialisierte Anwaltskanzleien in Auckland registrieren laut einem Bericht der Nachrichtenagentur «Bloomberg» ein rasant steigendes Interesse für diese sogenannten Golden Visa, insbesondere aus China, Japan und Indonesien.
Ob die staatliche Kampagne zur gewünschten Zuwanderung führt, lässt sich noch nicht sagen. Immerhin lenkt sie von einer anderen, verunglückten Kampagne ab. Mit dem Slogan «Everyone must go» warb das Tourismusministerium unlängst für Neuseelands landschaftliche Reize. Die Touristiker machten sich darüber lustig, da der Slogan daran erinnerte, dass manche Neuseeländer keine Perspektive mehr in ihrer Heimat sehen – und tatsächlich gehen müssen.
A New Zealand government tourism campaign called “Everyone Must Go” is drawing derision and mockery from local residents who have criticized it as tone deaf, especially at a time when New Zealanders themselves are leaving the country in droves. https://t.co/KTXy23jiA8
— NBC News (@NBCNews) February 17, 2025