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Reichsbürger, Linksextremisten, Hells Angels: Wen der Verfassungsschutz in Rosenheim im Auge hat
Stand: 22.04.2025, 05:51 Uhr
Von: Patricia Huber
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Im Vergleich zu dem, was wirklich in Rosenheim passiert, wirken die Fälle der „Rosenheim Cops“ harmlos. Das zeigt der aktuelle Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes. In der Region haben die Behörden mit Extremismus, organisierter Kriminalität und Reichsbürgern zu tun.
Rosenheim/Feldkirchen-Westerham/München – „Wir haben Reichsbürger, immer so um die 820 bis 850“, sagte Manfred Hauser dem OVB im Dezember 2024. Damals war Hauser noch Präsident des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Zum Jahreswechsel wechselte er dann ins Amt des Präsidenten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz. Und damit beschäftigt er sich weiter mit Reichsbürgern. Aber auch mit Linksextremismus und organisierter Kriminalität – und auch das gibt es in Stadt und Landkreis Rosenheim, wie der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024 zeigt.

Reichsbürger: Scharfe Handgranate in Feldkirchen-Westerham
In dem über 360 Seiten langen Bericht taucht Rosenheim das erste Mal auf Seite 217 auf. Und zwar, wenn es um Reichsbürger geht. Konkret um einen Reichsbürger aus Feldkirchen-Westerham, dessen Wohnung am 9. April 2024 durchsucht wurde. Dabei wurde eine scharfe Handgranate sichergestellt. Zudem fanden die Beamten dem Bericht zufolge mehrere Abreißzünder, Aluminium-Sprengkapseln, die in der Regel dazu dienen, größere Mengen Sprengstoff explodieren zu lassen, und circa ein Kilogramm Schwarzpulver.
Bei dem Besitzer dieser Gegenstände handle es sich um einen amtlich bekannten Angehörigen der Szene, der bereits 2022 mit einem Brief im Reichsbürger-Stil auf sich aufmerksam machte. In seinem Schreiben bezog er sich auf die „S.H.A.E.F-Gesetze“ – für Reichsbürger der Beleg, dass Deutschland als souveräner Staat bis heute nicht existiert. Der Fall aus Feldkirchen-Westerham zeige, wie wichtig Waffen für viele Reichsbürger sind. Dass der Besitz der Waffe in vielen Fällen illegal ist, liegt auf der Hand. Reichsbürger erkennen den Staat, seine Behörden und deren Genehmigungen ohnehin nicht an. Oft würden bei den Szene-Angehörigen gar Waffenarsenale festgestellt.
S.H.A.E.F-Gesetze und ReichsbürgerDie sogenannten „S.H.A.E.F-Gesetze“ waren Militärgesetze der alliierten Hauptsiegermächte (Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force), die nach dem Zweiten Weltkrieg zur Verwaltung der besetzten Gebiete Deutschlands erlassen wurden. Sie sollten der Entnazifizierung, Demilitarisierung und der Organisation des öffentlichen Lebens in der unmittelbaren Nachkriegszeit dienen.Anhänger der Reichsbürger-Szene verweisen auf diese Gesetze als vermeintlichen Beleg dafür, dass Deutschland noch immer besetzt und die Bundesrepublik Deutschland nicht souverän oder legitim sei. Diese Argumentation ignoriert jedoch die tatsächliche Rechtslage: Die SHAEF-Gesetze sind längst außer Kraft gesetzt und durch deutsches Recht sowie völkerrechtliche Verträge (insbesondere den Zwei-plus-Vier-Vertrag) vollständig abgelöst. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein anerkannter, souveräner Staat.Mehr zum ThemaReichsbürgertreffen in Traunstein: „Wir leben in einer Simulation“ - Wie gefährlich ist die Szene?Rosenheimer Antifaschisten im Verfassungsschutzbericht
Auch im Kapitel zum Linksextremismus im Bericht des Verfassungsschutzes sind Hinweise auf Verbindungen nach Rosenheim zu finden. Die Rosenheimer Antifa fällt immer wieder durch Solidaritätsbekundungen mit Linksextremisten auf. Konkret werden im Verfassungsschutzbericht das „Offene Antifaschistische Plenum Rosenheim“ (OAPR) und die Szene-Örtlichkeit „Z – linkes Zentrum in Selbstverwaltung“ genannt. Das OAPR habe am 28. Februar auf seinem Instagram-Profil eine Solidaritätsbekundung mit der am 26. Februar verhafteten RAF-Terroristin Daniela Klette veröffentlicht. In den Jahren zuvor fiel die Rosenheimer Antifa hauptsächlich durch Farb-Attacken auf das AfD-Büro und Auseinandersetzungen mit der Polizei auf.
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Auch die „Hells Angels“ haben es erneut in den Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes geschafft. Die Biker-Gruppierung eröffnete erst im November 2024 ihr neues Clubheim in Altenmarkt. „Bis jetzt gibt es überhaupt keine Probleme oder Zwischenfälle“, sagte Stefan Sonntag, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd erst kürzlich dazu. Dennoch habe man weiterhin ein wachsames Auge. Den Rockern im Nacken sitzen, auf dass die sich ja nicht heimelig fühlen, ist seit Jahren Taktik der Polizei.
Kein Wunder. So wurden in den vergangenen Jahren zwei Präsidenten des Rosenheimer Charters zu Haftstrafen verurteilt. Einer sogar zu acht Jahren. Die Taten laut Verfassungsschutz-Bericht: Zwangsprostitution, Zuhälterei und Körperverletzung mit Bedrohung. Bereits 2022 war er zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
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Klar ist: Extremistische Gruppierungen, Reichsbürger und organisierte Kriminalität werden die Behörden sowohl in Bayern als auch in der Region weiter beschäftigen. „Die Gefährdungslage hat sich in allen Phänomenbereichen erneut spürbar verschärft“, betonte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bei der Vorstellung des Berichts. „Die innere Sicherheit und damit unser friedliches Zusammenleben in unserem Land werden in einem bisher nicht bekannten Ausmaß auf den Prüfstand gestellt.“
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