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Als Landwirt aufgeben? Wie Matthias Maier aus Höslwang für sich die schwere Entscheidung traf

Stand: 05.05.2025, 17:09 Uhr

Von: Heike Duczek

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Matthias Maier auf der Bank vor dem „Maierhof“ in Höslwang. Den Ex-Landwirt und ehemaligen Bürgermeister beschäftigen die Tier-Dramen auf Höfen in Griesstätt und Bad Aibling sehr. © Duczek

Wann ist es Zeit, den Hof aufzugeben? Die Tierdramen in Griesstätt und Bad Aibling stimmen Matthias Maier, früherer Bürgermeister und Landwirt, sehr nachdenklich. Wie der Höslwanger damals die schwierige Entscheidung getroffen hat. Ein Gespräch über einsame Bauern und tote Tiere.

Höslwang/Griesstätt/Bad Aibling – Stolz zeigt Matthias Maier (70) auf das Schild, das an der Hausfassade angebracht ist: Der Maierhof zu Guntersberg (Höslwang) geht bis auf das Jahr 1170/75 zurück. Ein Betrieb mit Tradition, 13 Generationen lang geführt. 1890 wurde ein Stall gebaut, der zu Glanzzeiten 35 Tiere beherbergte. Es war ein für frühere Zeiten großer Bauernhof: Milchviehhaltung, Waldwirtschaft, Getreideanbau. Doch den Stall gibt es nicht mehr, die landwirtschaftlichen Flächen sind verpachtet. Vor dem Gebäude erinnert lediglich ein liebevoll gepflegter alter Bulldog an die landwirtschaftliche Nutzung vergangener Zeiten.

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Maier selber hat den Betrieb aufgegeben, nachdem er, seine Frau und seine Mutter jahrelang 14 bis 16 Stunden gearbeitet hatten. „Es hat uns große Freude gemacht, doch irgendwann war der Tag gekommen, da mussten wir einsehen: Es geht nicht mehr“, erinnert er sich. 15 Kühe standen noch im Stall, als der Beschluss fiel, „der uns allen sehr schwergefallen ist“. Nachdem die Tiere abgeholt worden waren, fiel vor allem Maiers Mutter in ein tiefes Loch. Sie war es gewohnt, morgens und abends in den Stall zu gehen. Es war ihr Leben, 50 Jahre lang.

„Auf dem Austragsbankerl“, sagt Matthias Maier aus Höslwang zu diesem Fotomotiv. © Duczek

Maier war Bauer und Beamter

Auch Maier war Bauer mit „Leib und Seele“. Doch er hatte sich eine Alternative aufgebaut: als Verwaltungsbeamter auf Lebenszeit. Die Karriere, die beim Finanzamt Bayern begann und ihn über Stationen bei der Landesversicherungsanstalt in München nach Rosenheim und Vogtareuth führte, ging stets bergauf.

Mit 42 wurde er in Vogtareuth sogar Bürgermeister, blieb es drei Perioden lang bis 2014. Er packte 2017 noch einmal in seinem Heimatort Höslwang als Rathauschef an. Nebenbei blieb er jedoch bis 1992 Bauer. Er legte seinen Jahresurlaub in die Erntezeit, verbrachte den Feierabend auf dem Feld, in Scheune oder Stall. Gelernt hatte er den Beruf nicht, Maier ist ein Autodidakt, „ein Bücher-Bauer“, wie er lachend berichtet: „learning by doing“ und aus dem in der Familie übertragenen Erfahrungsschatz.

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„Ich habe auch schon mal ein totes Kalb im Stall gehabt“, erinnert er sich. „Das war ein Schock, sicherlich, doch damit muss man als Landwirt immer rechnen.“ Der Tod gehöre zum bäuerlichen Leben dazu, schließlich halte der Landwirt Nutztiere. „Und jede Kuh muss irgendwann einmal zum Metzger.“ Es gehe darum, „das Tier mit Anstand und Würde ins Jenseits zu befördern“. Bis es so weit sei, baue der Landwirt – auch aus wirtschaftlichen Gründen, denn nur ein gesundes Tier bringe die erforderliche Leistung – eine persönliche Beziehung zu seinen Tieren auf, vor allem in kleineren Ställen, auch in der Anbindehaltung. Bis heute erinnert sich Maier an einzelne Tiere, etwa an seine Lieblingskuh: „Eine brave Alte, die zehn Kälber bekam“.

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„Manche übersehen es“

Starb ein Tier ungeplant, etwa ein Kalb, das mit einer gebrochenen Haxn auf die Welt kam, oder wurde es schwer krank, gab es eine Notschlachtung, erinnert sich Maier. In Bad Endorf habe es sogar ein Notschlachthaus gegeben. Der „Brandmetzger“ habe die Aufgabe auf dem Hof übernommen. Das sogenannte „Freibank-Fleisch“ von Tieren, die nicht für die Schlachtung bestimmt waren, wurde früher zu günstigen Preisen angeboten, so Maier. Ende der 70er Jahre verschärften sich die Regelungen. „Heute ist bis ins Kleinste geregelt, was ein Landwirt zu tun hat, wenn Kuh oder Kalb plötzlich versterben.“ Der Weg der Tiere ende in der Regel im Schlachthaus Waldkraiburg.

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Maierhof hoch angesehen

Doch Maier kann sich, trotz aller Kritik an den Tierdramen in Griesstätt und Bad Aibling („habe dafür kein Verständnis“), gut hineinfühlen in Landwirte, die den vorgeschriebenen Weg verlassen. „Manche übersehen einfach den Tag, an dem sie einräumen müssen: Es geht nicht mehr“, ist er überzeugt. Dies zuzugeben, falle vielen Bauern schwer. Sie würden jahrelang „rackern und rackern und rackern“, um die Tradition zu bewahren. So war es auch auf dem Maierhof in Höslwang: Matthias Maiers Vater war ein hoch angesehener „großer Bauer“. „Er hat einen Namen gehabt, war Lehrherr, hatten mit seinen Zucht-Stieren Preise gewonnen. Bei uns auf dem Hof war sogar der Landwirtschaftsminister zu Gast“, erinnert sich der Sohn. Er und seine zwei Brüder schauten zum Vater auf. Als dieser bei einem Bulldog-Unfall plötzlich verstorben war, führte die Familie den Hof ganz selbstverständlich weiter. Aufgeben? Kam nicht infrage, so Maier.

„Haufen Schulden hätten wir machen müssen“

Auch ihm fiel es schwer, zuzugeben, dass der Betrieb aufzugeben ist. Vor allem, als sich herauskristallisierte, dass der Hof hätte modernisiert werden müssen, um die Abläufe effizienter zu gestalten. Ein neuer Stall stand auf der Agenda. „Einen Haufen Schulden hätten wir machen müssen“, erinnert sich Maier. Ein ganzes Jahr lang habe die Familie hin und her überlegt, diskutiert und sich beraten. „Ich bin es als Verwaltungsbeamter gewohnt, sachlich abzuwägen“, berichtet Maier. Er habe die Vor- und Nachteile eines Weiterbetriebs mit Investitionen in moderne Anlagen verglichen. 1992 sei dann im Familienrat die Entscheidung gefallen, den Hof aufzugeben. „Ich hatte eine berufliche Alternative“, sagt er, „wer das nicht hat, tut sich noch viel schwerer.“

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„Es war bewegend, als die letzte Kuh den Stall verließ“, erinnert er sich. „Eine Ära ging zu Ende.“ Der Bauer klebe an seiner Scholle, eine Landwirtschaft zu beenden, sei ein schwerer Schritt. Dabei seien die Anforderungen an den Beruf heutzutage noch viel komplexer als zu seiner aktiven Zeit. Vor allem die vielen bürokratischen Auflagen und die Dokumentationspflichten „machen einen Bauern doch verrückt“, bringt er es auf den Punkt. „Das Einzige, was ich als junger Kerl am Schreibtisch machen musste, war die Dieselbeihilfe beantragen“.

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Es gibt Hilfe, „man muss sie aber annehmen“

Heute würden viele Bauern mit der Arbeit nicht mehr fertig. Doch es gebe Unterstützung, etwa vom Maschinenring. „Nur, man muss sie auch in Anspruch nehmen.“ Sich Hilfe zu holen, falle manchen schwer. Es gehöre nicht zum Selbstverständnis. Landwirte seien außerdem heute oft nicht mehr in ein soziales Netz eingebunden, das quasi indirekt eine Kontrollfunktion ausübe.

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Kirchgang als Sozialkontrolle

Maier nennt als Beispiel den Kirchgang, der früher sonntags dazu gehört habe. Die Bauern hätten sich danach vor dem Gotteshaus getroffen, sich ausgetauscht, oft sei es auch noch zum Wirt gegangen. Dabei wäre es aufgefallen, wenn es einem nicht so gut gegangen sei. Man habe sich gegenseitig unterstützt, auch mal auf dem Nachbarhof mit angepackt. „Diese gesellschaftliche Klammer fällt heute oft weg. Der Bauer ist nicht selten ein einsamer Mann.“ Viele würden mangels Hofnachfolge oder Partnerin allein weiterarbeiten. Manchmal so lange, bis ein Hof nicht mehr ordnungsgemäß geführt werden könne. „Ein Drama, auch deshalb ist es wichtig, im richtigen Moment die Notbremse zu ziehen“, empfiehlt Maier.

Er hat die Entscheidung nie bereut: „trotz anfänglicher wehleidiger Gedanken“, wie er einräumt. Jetzt, im Ruhestand, freut er sich darüber, dass sein Sohn die Forstwirtschaft im eigenen Wald mit großer Leidenschaft und Fachwissen fortführt, dass Haus und großer Garten liebevoll gepflegt sind, die Enkelkinder herumtoben, die Hofkatze um seine Beine streicht, die Balkonkästen, große Leidenschaft seiner Frau, in voller Blütenpracht glänzen. „Der Maierhof lebt noch, nur anders halt“.

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