Stand: 28.05.2025, 05:53 Uhr
Von: Anja Leitner
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Tier-Aktivisten attackierten Ende März den Hof von Bauern-Präsident Günter Felßner – mit weitreichenden Folgen. Wie geht es ihm und seiner Familie heute? Bereut er, nicht mehr für das Amt des Agrarministers angetreten zu sein? Antworten darauf im ersten Teil des OVB-Exklusiv-Interviews bei der Garser Au-Dult.
Gars am Inn – Unruhige Zeiten liegen hinter Günter Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV) – wobei er gleich zu Beginn des Gesprächs betont, dass er in seinen zweieinhalb Jahren als Vorsitzender des BBV immer mal wieder „heiße Phasen“ erlebt habe. Doch gemeint ist natürlich die jüngste Attacke von Aktivisten auf sein eigenes Zuhause und die damit einhergehende Entscheidung, nicht mehr für das Amt des Landwirtschaftsministers anzutreten. Vertreter der Organisation „Animal Rebellion“ hatten am 24. März auf dem Privatgelände des Bauernpräsidenten protestiert. Laut Medienberichten seien die Aktivisten mit Leitern auf ein Dach geklettert, hätten ein Transparent gehisst und Bengalo-Feuer gezündet. Felßner hatte anschließend die Reißleine gezogen und auf die Kandidatur verzichtet.
Noch immer steckt ihm der Angriff auf sein eigenes Zuhause in den Knochen – und auch seiner Frau. Denn Felßner war zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht vor Ort, sondern in Berlin. „Ich habe mit Stalleinbrüchen bei mir gerechnet, aber nicht, wenn ich gar nicht da bin“, sagt er. Die
Die „Tiergegner“, wie Felßner sie bezeichnet, hätten gewusst, dass er nicht daheim gewesen sei. „Meine Frau war mit einem Mitarbeiter gerade im Stall, da sind rund 15 vermummte Gestalten bei uns aufgetaucht, haben Leitern aufgestellt und wollten aufs Dach klettern“, schildert er die Situation. „Meine Frau war geschockt. Sie hat die Tiergegner aufgefordert, zu verschwinden, ansonsten müsse sie die Polizei holen“, berichtet der BBV-Präsident.
Mehr zum Thema„Verrohung“ – Nach Protest beim Bauern-Präsidenten: Rosenheims und Mühldorfs Kreisobmann geschocktSeine Ehefrau habe sich im Stall mit dem Mitarbeiter eingeschlossen, die Polizeibeamten alarmiert und anschließend Felßner angerufen. „Ich bin seit 30 Jahren verheiratet, ich kenne meine Frau. Schon an der Stimmlage habe ich erkannt, dass etwas nicht stimmt“, erinnert er sich. Sie habe die Situation erklärt und ihren Mann gebeten, nochmal bei der Polizei anzurufen. „Sie war sich nicht sicher, ob die Beamten alles richtig verstanden hatten. Es war ja eine absolute Ausnahmesituation für sie.“ Felßner legte auf, rief erneut bei der Polizei an, während die Aktivisten ein riesiges Banner gehisst und Bengalo-Feuer angezündet hätten.
Dann habe sich seine Ehefrau erneut gemeldet und erklärt, dass Rauch durch die Lüftung in den Stall dringen würde. „Sie konnte auch nicht nach draußen schauen, wegen des Banners. Sie hatte schreckliche Angst“, berichtet der 58-Jährige. Felßner selbst war rund 500 Kilometer weit weg, alles geschah „blitzschnell“. „Das waren vielleicht 15 Minuten“, sagt er.
Die Polizei rückte an, konnte die Personalien der Aktivisten feststellen, Felßner und seine Familie haben Anzeige erstattet. „Das lasse ich nicht auf sich beruhen. Ich bin schwer dahinter, dass diese Terroristen verurteilt werden.“ Den Begriff „Terroristen“ nutze er ganz bewusst, „denn damit werden Personen bezeichnet, die mit Gewalt versuchen, anderen Leuten ihre Meinung aufzuzwingen“, erklärt er.
Mehr zum Thema„Eine Kriegserklärung an alle Bauernfamilien“Immer wieder würden Stalleinbrüche bei Landwirten toleriert, von Gerichten „wohlwollend geduldet“, oft mit der Begründung, dass so Missstände aufgezeigt würden, schimpft der BBV-Präsident. In der Woche vor dem Angriff auf sein Zuhause habe bei ihm eine unangekündigte Kontrolle durch das Veterinäramt stattgefunden, erklärt er. Laut Felßner gab es einen anonymen Hinweis. „Es wurde nichts gefunden“, verdeutlicht er. Die Behörde habe ihm lediglich „fünf Hinweise“ hinterlassen, was es zu verbessern gebe. „Das waren aber keine Mängel“, findet er. „Mir gegenüber hat das Veterinäramt von Hinweisen gesprochen.“
Das Veterinäramt Nürnberger Land hatte am 21. März nach einer Meldung der Tierschutzorganisation Peta den landwirtschaftlichen Hof von Felßner kontrolliert. Die Behörde habe laut Medienberichten „geringgradige Mängel bezüglich Einstreu und Entmistung“ festgestellt, außerdem „gering- bis mittelgradige Mängel bei der tierärztlichen Versorgung einzelner Tiere“ sowie einen geringen baulichen Mangel an einem sogenannten Futtertisch für Kälber. Das Veterinäramt habe entsprechende Maßnahmen angeordnet, die bei einer Nachkontrolle am 25. März erledigt gewesen seien.
„Wir hatten früher 120 Milchkühe und 250 Rinder. Vor einigen Jahren haben wir den Stall umgebaut, jetzt sind es noch rund 100 Masttiere“, sagt er. „Also der dreifache Platz für die Rinder.“ Er wäre sogar bereit gewesen, den Aktivisten seinen Stall zu zeigen, denn er wisse, dass bei ihm „alles passt“. Doch an einer Besichtigung hätten die Aktivisten laut Felßner kein Interesse gehabt. Der BBV-Präsident bezeichnet die Attacke auf seine Familie als „besonders menschenverachtend“ und „verwerflich“. Anschließend habe für ihn sofort festgestanden, dass er das Amt des Landwirtschaftsministers nicht antreten werde. „Ich habe keine Sekunde überlegt. Meine Familie geht über alles“, verdeutlicht er. Seine Entscheidung bereue er bis heute nicht. Sie sei ja nicht politisch motiviert gewesen.
Mehr zum ThemaBeben bei Bankhaus RSA eG: Vorstandsvorsitzender Pongratz tritt abFür Felßner zählt auch, dass er den Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD mit verhandelt hat. Er sei eine von 16 Personen der Agrar-Arbeitsgruppe gewesen und habe 20 von 22 Punkten auf seiner Liste in das Abkommen einbringen können. „Ich hatte eine genaue Vision, mit dem Ziel, diese als Minister umzusetzen“, erklärt er. Nun sei es anders gekommen, aber Alois Rainer, der nun den Posten des Landwirtschaftsministers innehat, werde das genauso können, meint der BBV-Präsident. „Alois Rainer ist Metzgermeister und noch viel wichtiger: Er kommt aus dem Handwerk. Er weiß, dass man Sachen selbst anpacken muss, damit etwas geschieht“, so Felßner. „Meinen Job als BBV-Präsident kann ich von hier aus genauso gut wie in Berlin“, betont er.
Die „großen Themen“ anpackenGünter Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbands, hat auf dem Garser Volksfest im gut besuchten Schützenzelt beim „Tag der Landwirtschaft“ über die vier großen Ziele der Landwirtschaft gesprochen: Ernährung, Energie, Dekarbonisierung und Ressourcenschutz. „Die Bevölkerung wächst, wir haben weniger Flächen, die wir bewirtschaften können. Die ureigenste Aufgabe der Landwirtschaft ist Ernährung. Das ist und wird so bleiben“, verdeutlichte Felßner in seiner Rede. Die Tierhaltung sei ein zentraler Bestandteil. „Jeder isst, was er möchte. Das ist die Entscheidung eines jeden Einzelnen. Aber selbst Cem Özdemir von den Grünen, der Vegetarier ist, hat gesagt: Auch mein Salat braucht Dünger, damit er wächst.“ 60 Prozent der Agrarfläche weltweit bestehe aus Grasland und könne nur genutzt werden, „wenn Tiere darauf sind“, so Felßner. Diese seien ein Bestandteil des Nährstoffkreislaufs. „Ein Tier selbst kann kein zusätzliches CO₂ produzieren“, betonte er. Die Tierhaltung produziere CO₂-Emissionen, „das stimmt“, so der BBV-Präsident. „Aber wir sind dran, das zu ändern. Deshalb sei der Klimawandel und der Ausstieg aus Kohle,- Erdöl,- Gas- und Atomenergie essenziell. „Wir müssen raus aus der Abhängigkeit fossiler Stoffe“, betonte der BBV-Präsident. Er setze auf Energie aus Biogas, Biomasse, Solar, Photovoltaik und Holz, um bis 2050 klimaneutral zu werden. „Der ländliche Raum ist nicht der kleine Bruder der Stadt. Von hier aus erzeugen wir Lebensmittel und Energie. Wir sind die Herzkammer des gesamten Organismus“, zeigte sich Felßner bei seiner Rede überzeugt.Weiter setze sich der BBV-Präsident für die Dekarbonisierung ein. Seit 30 Jahren gebe es Alternativen zu Plastik, aber sie seien immer noch teurer. Aus Getreide, wie Mais und Weizen, könnten Kunsstoffe hergestellt werden, die – im Gegensatz zu Plastik – verrotten. Diese Vorgehensweise würde ein großes Problem der Gesellschaft lösen.Der vierte Punkt betreffe den Ressourcenschutz. „Wir müssen Boden, Luft, Wasser und Artenvielfalt schützen“, betonte Felßner. Beim Zukunftsvertrag, bei dem Felßner mitgearbeitet habe, habe sich die Arbeitsgruppe die Frage gestellt: „Was sind die großen Themen unserer Gesellschaft? Die müssen wir anpacken“, so der BBV-Präsident. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von der Blasmusik Aschau am Inn.If you often open multiple tabs and struggle to keep track of them, Tabs Reminder is the solution you need. Tabs Reminder lets you set reminders for tabs so you can close them and get notified about them later. Never lose track of important tabs again with Tabs Reminder!
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