50 Jahre 3er: Er machte BMW zum Weltkonzern

Sechs von sieben Generationen BMW 3er: Mehr als 20 Millionen Exemplare wurden weltweit bisher verkauft. PD

Was für eine Kombination: Hinterradantrieb und leistungsstarker Frontmotor. Nicht in einem Sportwagen, sondern in einer auf den ersten Blick biederen, kompakten Limousine. Mit dem vor 50 Jahren erstmals präsentierten 3er der Baureihe E21 wenden sich die Münchner vom Vorgänger 2002 konsequent ab und zeigen einen komfortablen und geräumigen Zweitürer mit einigen Elementen der Oberklasse.

Mit dem ersten 3er sucht sich BMW eine neue Vision für den Kompaktwagen. Der Franzose Paul Bracq verantwortet das Design. Er setzt auf Dynamik und Sportlichkeit, Stattlichkeit und Prestige, ohne dabei den Alltagsnutzen zu vernachlässigen. Neben hochgezogenem Heck, markentypischer Doppelniere im Grill, Doppelscheinwerfern, Haifischnase und einer prägnanten Sicke an der Seite fällt der erste 3er dadurch auf, dass er weniger Chrom als sonst bei BMW üblich aufweist. Er zeichnet sich zudem im Innenraum durch das zum Fahrer geneigte Cockpit aus. Alles soll sportlicher werden, ohne gleich einen Sportwagen zu kopieren.

«Als Nachfolger des in die Jahre gekommenen 02er war der erste 3er für BMW fast überlebenswichtig und prägte das Image der Marke», sagt Frank Wilke, Geschäftsführer von Classic Analytics, einem Unternehmen, das sich der Beobachtung des Marktes und der Bewertung von Oldtimern widmet. Der 3er bleibt lange das einträglichste Modell von BMW.

Doch statt auf einen Turbomotor wie beim 2002 Turbo setzt BMW nach der ersten Ölpreiskrise auf sparsame Vierzylindermotoren mit Vergaser für Normalbenzin. Die Ingenieure fokussieren auf eine Kombination aus kompakter Hülle mit Oberklasse-Anmutung und ausreichend Leistung. Nicht mehr stark und schnell soll der Kompakte sein, sondern sparsam und vernünftig. Doch die Kunden fordern schnell wieder mehr Leistung. Und BMW schiebt Sechszylindermotoren nach.

Der erste 3er brachte das Kompaktauto in die Mittelklasse

Die Nomenklatur folgt der Logik des kurz zuvor vorgestellten 5er. Im Laufe der Zeit bietet BMW acht Motorvarianten mit einer Leistung zwischen 75 PS (315) und 143 PS (323i) an. Den Einstieg macht 1975 der 316 mit 90 PS für 13 980 Deutsche Mark. Zum Vergleich: Der VW Käfer 1303 leistet nur 44 PS und kostet 8355 Mark. Neben der zweitürigen Limousine bietet der Karosserieschneider Baur auf Basis des E21 zwischen 1977 und 1982 ein schickes Topcabriolet an.

Der erste BMW 3er (Baureihe E21) entstand ausschliesslich als Zweitürer. PD

Eingefleischte BMW-02er-Fans kann der E21 anfangs nicht überzeugen: zu schwer, zu langsam und zu schwach. Sorgt der 2002 Turbo mit seinem Turbolader, der mechanischen Kugelfischer-Einspritzung und 170 PS für Herzklopfen, wirkt der 90-PS-Vierzylinder anfangs wie ein Langweiler. Dann legt BMW 1977 seine Sechszylinder nach, wie den 320 mit 122 PS und das Topmodell 323i mit 143 PS. Endlich sind die Fans der Marke befriedigt.

Unter der langen Haube arbeitet nämlich ein neu entwickelter Reihensechszylinder mit mechanischer Saugrohreinspritzung Bosch K-Jetronic. 143 PS entwickelt das Triebwerk bei 5800 Touren, und BMW zeigt damit feinste Motorentechnologie – und das in einem Kompaktwagen. Äusserlich erkennen nur Fans und Fachleute den starken Antrieb an der Doppelrohr-Auspuffanlage.

Noch heute begeistert der geschmeidige Sechszylinder durch seinen sanften Motorlauf, wie die Probefahrt in einem Museumsstück beweist. Ist der Antrieb erst einmal auf Betriebstemperatur, schnurrt das Triebwerk unter der Haube wie ein zufriedenes Kätzchen.

Auf dem dicken Kardantunnel ragt der Schalthebel des Vierganggetriebes (optional fünf Gänge) heraus, auf Wunsch halten Sportsitze die Frontpassagiere in Kurven fest. Ein für die damalige Zeit modernes Cockpit mit grossen Rundinstrumenten für Geschwindigkeit und Drehzahl sowie zwei kleinen für Tankniveau und Kühlwassertemperatur bietet eine sportliche Grafik.

Schnell und leicht wechseln die Gänge, der Sechszylinder reagiert spontan auf das Gaspedal, und die Lenkung arbeitet sehr direkt. Es dauert nur wenige Kilometer, bis sich der Pilot eins mit dem E21 fühlt. Lediglich die eher hohe Sitzposition und der harte Bremspedaldruck rufen das Alter des Klassikers in Erinnerung. Bei forcierter Fahrweise kommen die Reifen schnell an ihre Grenzen, zu viel Gewicht liegt auf der Vorderachse des 323i. Dann wackelt der BMW mit seinem Heck, schlägt gerne aus.

Der BMW 323i von 1977 demonstriert noch heute, wie sportlich er sich fährt. PD

Es ist aber weniger die pure Beschleunigung von 9,6 Sekunden auf 100 km/h oder die Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h als die Elastizität des Antriebs, die immer noch begeistert. Einmal im vierten Gang angekommen, rollt der 323i von der Stadt aus auf die Autobahn, ohne nach Schaltvorgängen zu verlangen. Während Käfer-Fahrer permanent am Hebel werkeln, bleibt die Hand des E21-Fahrers lässig am Lenkrad. In Sachen Laufkultur und Geschmeidigkeit übertrifft kein anderes Triebwerk diesen Motor. «Vor allem der 323i war damals konkurrenzlos: starker Antrieb in einer komfortablen und kompakten Karosserie – das war neu», sagt Frank Wilke.

Der erste 3er wird zum Exportschlager

Genau das war die Intention der E21-Entwickler: mehr Luxus und Komfort in die kleine Klasse bringen und damit eine neue Gattung erschaffen. Bis Ende 1983 werden 1,36 Millionen Fahrzeuge des E21 gebaut, rund die Hälfte davon geht in den Export. Es ist der erste Millionenseller von BMW und der Vorbereiter für den Weg der Firma aus der Nische zum Weltkonzern. Bei gut einem Drittel der E21-Modelle arbeitet unter der Haube ein Sechszylinder, am häufigsten in der Variante 320.

Dennoch sind E21 heute nicht besonders begehrt. «Das liegt an den zu Anfang eingebauten schwachen Motoren, der Variantenarmut und dem für 2er-Fahrer zu hohen Komfort», sagt Frank Wilke. Ausnahmen bilden der 323i und das Baur Topcabriolet, von dem 4595 Stück gebaut wurden. Immer noch beliebt sind auch Tuning-Varianten wie der ab 1978 gebaute Alpina B6 2.8. Gut erhaltene 3er der Baureihe E21 sind heute selten. Ein gepflegter 316 mit der zweitbesten Zustandsnote 2 kostet nach Classic Analytics rund 11 200 Euro, ein 323i rund 28 000 Euro.

Für solche Beträge gibt es keinen neuen 3er. Das aktuelle 3er-Modell (G20) in der siebenten Generation läuft seit 2019 von den Bändern. Als 318i leistet er mindestens 156 PS und kostet mindestens 46 600 Euro, das Spitzenmodell M3 kommt auf 530 PS und 650 Newtonmeter Drehmoment. Von 0 auf 100 km/h vergehen nur 3,5 Sekunden, abgeregelt wird der sportliche Kompakte bei 250 km/h.

Mittlerweile gibt es den 3er als Limousine und Kombi, die Coupé-Limousine nennt BMW ebenso wie das zweitürige Coupé und das Cabrio 4er. Statt auf analoge Instrumente wie Tacho und Drehzahlmesser setzen die aktuellen 3er und 4er längst auf volldigitale Anzeigen, Vernetzung mit dem Smartphone und digitale Helferlein für Komfort und Sicherheit. Aus den ehemals 4,35 Metern Länge sind inzwischen 4,71 Meter und mehr geworden, aus gut einer Tonne Leergewicht fast zwei Tonnen. Komfort und Sicherheit haben ihren Preis.

Sechs Vorgänger-Generationen des aktuellen G20: Der BMW 3er ist bis heute vor allem ein Hecktriebler mit Sechszylindermotor. PD

BMW bleibt auch beim aktuellen 3er weiter den E21-Genen treu: Hinterradantrieb mit leistungsstarkem und geschmeidigem Sechszylinder-Reihenmotor. Bis heute eine geschmeidige Kombination in einem kompakten Fahrzeug.