Der Chef des rechten «Deutschland-Kuriers» verbreitete ein manipuliertes Bild, auf dem Nancy Faeser ein Schild mit der Aufschrift «Ich hasse die Meinungsfreiheit» hält. Das soll strafbar sein.
Wer sagt: «Ich hasse die Meinungsfreiheit», der nutzt sie in diesem Moment. Diese Doppelbödigkeit ignorierte ein Bamberger Amtsrichter, als er am Montag den Chef des rechtspopulistischen Blatts «Deutschland-Kurier», David Bendels, zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilte. Bendels hatte ein Foto der deutschen Innenministerin Nancy Faeser verbreitet, auf dem diese ein Schild mit der Aufschrift «Ich hasse die Meinungsfreiheit» in den Händen hält. Das soll strafbare Verleumdung sein.
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
So hatte es im November auch schon eine Bamberger Amtsrichterin gesehen, die Bendels per Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 210 Tagessätzen verurteilte. Dagegen hatte er sich gewehrt und nun das Urteil erhalten. Die Vorlage für das Meme war ein Post des Innenministeriums zum Holocaust-Gedenken. Das Schild in Faesers Händen trägt die Aufschrift «We remember». Diese wurde bei Bendels durch «Ich hasse die Meinungsfreiheit» ersetzt.
Grundlage der Verurteilung ist der «Majestätsbeleidigungsparagraf» 188 StGB, der im Sommer 2021 nochmals verschärft wurde. Wer sich allzu polemisch über Politiker äussert, muss damit rechnen, es mit der Justiz zu tun zu bekommen. Das hatte im vergangenen Herbst schon ein Rentner in Bayern am eigenen Leib erfahren. Der 64-jährige Stefan Niehoff wurde an einem Novembermorgen von der Polizei aus dem Bett geholt; Durchsuchungsbefehl. Sein Vergehen: Er hatte ein Bild im Internet weiterverbreitet, auf dem der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck als Schwachkopf bezeichnet wurde.
Niehoff hatte sich nicht still in sein Schicksal gefügt, sondern die Lokalzeitung angerufen. Der Fall wurde bekannt und brachte an den Tag, in welchem Ausmass inzwischen in Deutschland in die Meinungsfreiheit eingegriffen wird und welche Akteure dabei zusammenarbeiten – beispielsweise Meldestellen und die Polizei. Danach berichteten zahlreiche Bürger über ähnliche Erfahrungen.
Der Fall Bendels fügt sich nahtlos in ein beunruhigendes Gesamtbild. Verfassungsrechtler kritisieren schon seit geraumer Zeit, Deutschland verenge die Grenzen der Meinungsfreiheit systematisch. Dies geschieht vor allem über das Strafrecht. Das Grundrecht auf freie Meinungsäusserung aus Artikel 5 des Grundgesetzes findet seine Grenzen in den allgemeinen Gesetzen. Will man also die Meinungsfreiheit einschränken, so erweitert man einfach ein paar Paragrafen im Strafgesetzbuch oder kreiert neue. Dies geschieht seit Jahren.
Bendels und sein Anwalt wollen in Berufung gehen, wie sie auf der Seite des «Deutschland-Kuriers» schreiben. Das Blatt ist ein Sprachrohr der AfD. Mit dem Plan könnten sie Erfolg haben, denn nach der Rechtsprechung des bayrischen Oberlandesgerichts ist der Paragraf 188 StGB eng auszulegen, und die Betroffenen haben hohe Duldungspflichten.
Das kann auch gar nicht anders sein, denn die Meinungsfreiheit ist laut Bundesverfassungsgericht in der Demokratie die «Mutter aller Freiheiten». Zum Kernbereich der Meinungsfreiheit gehört es, die öffentliche Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren, auch scharf. Erst vor wenigen Wochen sprach das bayrische Oberlandesgericht einen Angeklagten frei, der Bundeskanzler Olaf Scholz als «Volksschädling» bezeichnet hatte.
Vorliegend kommt hinzu, dass es sich bei dem Faeser-Bild um Satire handeln könnte. Dann stünde sie sogar unter dem Schutz der Kunstfreiheit – mit der Folge, dass die strafrechtlich festgelegten Grenzen nicht gelten. Die Kunstfreiheit gilt vorbehaltlos. Sie kann nur durch kollidierende Verfassungsgüter begrenzt werden, etwa die Persönlichkeitsrechte anderer, wie die Rechtsprechung in den vergangenen Jahrzehnten weiter herausgearbeitet hat.
Satire darf nicht alles, aber sehr viel. Erinnert sei an das Cover des Satiremagazins «Titanic» von 2012, das Papst Benedikt mit gelber und brauner Flüssigkeit auf seiner Soutane zeigte («Die undichte Stelle ist gefunden!»). Der Papst wehrte sich wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. In zweiter Instanz gewann jedoch «Titanic». Das Cover sei klar satirisch, eine überzeichnete Parodie auf innerkirchliche Skandale, entschied das Hanseatische Oberlandesgericht.
Voraussetzung für eine Verurteilung wegen Politikerbeleidigung ist zudem, dass die Tat geeignet ist, das öffentliche Wirken des Politikers «erheblich zu erschweren». Inwieweit Faesers Wirken durch das Meme erheblich erschwert werden könnte, erschliesst sich nicht. Laut dem Amtsgericht Bamberg hat das Gericht den Tatbestand der Verleumdung unter anderem deshalb als erfüllt angesehen, weil für einen unbefangenen Leser nicht erkennbar gewesen ist, dass es sich bei dem Bild um eine Fotomontage handelt.
Der Vorwurf an Faeser, sich gegenüber der Meinungsfreiheit feindselig zu verhalten, lässt sich zudem vielfältig belegen. Zuletzt blamierte sie sich im Juli 2024 mit dem Versuch, das rechtsextreme Magazin «Compact» zu verbieten. Obwohl das Bundesverwaltungsgericht das Verbot vorläufig aufhob, verteidigte Faeser ihre Entscheidung mit dem Argument, die Demokratie vor «Verfassungsfeinden» schützen zu wollen.
Wer ein Verfassungsfeind ist, ist dabei nicht eindeutig definiert. So führte Faeser auch den Begriff der «verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates» als neues Kapitel im Verfassungsschutzbericht ein, mit dem sie auf Proteste gegen die Corona-Massnahmen reagierte. Letztlich kann man auch ihre Massnahmenpakete «gegen rechts» als Angriffe auf die Meinungsfreiheit verstehen, denn sie ermöglichen es unter anderem, AfD-Mitgliedern Bankkonten und legal besessene Waffen zu entziehen. Rechts zu sein, ist aber nicht verboten.
Eine Verurteilung wegen Verleumdung setzt voraus, dass die verbreitete Tatsache unwahr ist. Spötter könnten nun sagen, mit dem Strafantrag gegen Bendels bestätige Faeser im Grunde die Botschaft des satirischen Bildes.
Skip the extension — just come straight here.
We’ve built a fast, permanent tool you can bookmark and use anytime.
Go To Paywall Unblock Tool