Individualbesteuerung: Verband der Singles ist enttäuscht


Enttäuschte Singles: Sie haben sich von der Individualbesteuerung mehr erhofft

Dank einem neuen Kompromiss steht die Individualbesteuerung kurz vor dem Durchbruch. Doch gut verdienende Alleinstehende müssten mehr bezahlen als heute. Für den Verband der Singles ist das ein weiteres Beispiel, dass ihre Interessen in der Politik zu kurz kommen.

Miete, Lebensmittel, Serafe: Singles haben pro Kopf höhere Lebenskosten als Paare, die zusammenwohnen. Christian Beutler / Keystone

Nun könnte er also doch gelingen: der grosse Umbau des Steuersystems, wie die FDP und die SP ihn sich wünschen. Vergangene Woche haben sich die beiden Parteien auf einen neuen Kompromiss zur Individualbesteuerung geeinigt. Damit steigt die Chance, dass das Parlament das Projekt schon im Juni gutheissen wird.

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Die seltene Allianz aus FDP, SP, GLP und Grünen will, dass Verheiratete separat besteuert werden. Damit soll die «Heiratsstrafe» für Paare mit gleich aufgeteilter Erwerbsarbeit beseitigt und Arbeitsanreize für Zweitverdiener, meist Frauen, geschaffen werden. Die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft wäre faktisch aufgelöst – eine kleine Revolution. Nur: Bei Revolutionen gibt es bekanntlich Opfer.

Zu diesen zählen die traditionellen Familien, bei denen ein Elternteil, meist der Mann, den Grossteil des Einkommens erzielt. Solche Einverdiener-Paare würden gegenüber Zweiverdiener-Paaren benachteiligt. Doch sie können auf die Unterstützung von SVP und Mitte hoffen, welche die Reform vehement bekämpfen.

Die zweite Gruppe sind die Unverheirateten mit hohen bis sehr hohen Einkommen. Zu dieser Gruppe gehören Leute, die im Konkubinat leben, aber auch viele Singles, Geschiedene und Verwitwete. Für diese Gruppe, die Alleinstehenden, kämpft aber so gut wie niemand.

Ausser Sylvia Locher. Sie ist die Präsidentin des Vereins Pro Single Schweiz und sagt, die Reform müsse allen Alleinstehenden zugutekommen. «Wir zahlen im aktuellen System den höheren Tarif als Verheiratete. Nun wird diese Ungerechtigkeit zwar aufgehoben, aber wieder zulasten von einigen von uns. Das ist unfair.»

Ein Kompromiss für weniger Steuerausfälle

Auch der neueste Kompromiss zwischen FDP und SP ändert nichts an Lochers Kritik. Er verstärkt sie sogar. Denn die Verlierer der Reform werden nun noch etwas stärker zur Kasse gebeten, als dies der Bundesrat ursprünglich vorgesehen hatte. Seine Variante der Reform hätte zu Steuerausfällen von 800 Millionen Franken geführt. Das war der SP zu viel. Zusammen mit der FDP hat sie deshalb den Steuertarif leicht in die Höhe geschraubt, um die Ausfälle auf 600 Millionen zu reduzieren.

Resultat: Unverheiratete mit Einkommen ab hunderttausend Franken zahlen im Durchschnitt 350 Franken mehr als heute. Die SP-Nationalrätin Céline Widmer sagt, es handle sich dabei um eine «moderate Erhöhung». Sie betont, dass der Kompromiss keine neuen Verlierer produziere. «Es ging uns lediglich darum, die negativen Effekte auf den Bundeshaushalt abzufedern.»

Sylvia Locher geht es aber ums Prinzip. «Es ist immer das Gleiche: Wenn es irgendwo Geld braucht, nimmt man es von den Singles.»

Sylvia Locher ist seit 2013 Präsidentin des Vereins Pro Single Schweiz. PD

Locher kämpft schon lange für die Alleinstehenden. Deren Anteil in der Bevölkerung nimmt zu. Laut dem Bundesamt für Statistik leben 1,4 Millionen Menschen allein. Das entspricht mehr als jedem dritten Haushalt. Tendenz: steigend.

Trotzdem würden die Interessen der Alleinstehenden in der Politik ignoriert, sagt Locher. «Die Politiker setzen sich lieber für Familien und die Ehe ein», sagt sie. Dabei würden die Alleinstehenden zu vielen Sozialwerken mehr beitragen, als sie von ihnen profitierten.

Auch die finanzielle Situation von Alleinstehenden wird laut Locher zu wenig berücksichtigt: «Wer allein lebt, kann sich weder die Kosten für Miete, Strom noch Lebensmittel teilen.»

Linke und Liberale haben eigene Interessen

Zumindest hinsichtlich der Wohnsituation wollte der Bundesrat den Alleinstehenden ursprünglich entgegenkommen. In einem seiner ersten Vorschläge zur Individualbesteuerung hätten die Steuerpflichtigen einen sogenannten Haushaltsabzug machen können. Wer allein lebt, hätte so ein wenig Steuern sparen können. Doch die Idee wurde bald wieder verworfen. Für Pro Single Schweiz war das ein Frust.

Trotzdem ist der Verein im Prinzip weiterhin für die Individualbesteuerung, weil damit der günstigere Steuertarif für Verheiratete abgeschafft würde. Doch: «Ob der neueste Vorschlag von SP und FDP für uns noch tragbar ist, werden wir sehen, wenn wir alle Zahlen analysiert haben», sagt Locher.

Nur: Die FDP und die SP werden sich kaum mehr aufhalten lassen, nun da sie auf der Zielgeraden sind. Die Liberalen wollen unbedingt einen Erfolg für die FDP-Frauen, welche die Debatte mit einer Volksinitiative angestossen haben. Die SP wiederum sieht darin einen Fortschritt für die Gleichstellung der Geschlechter. Und die Alleinstehenden? Stehen einmal mehr allein da.

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