Kritik an der Sendung «Klar»: Sind ARD und ZDF unreformierbar?


Criticism of a new German public broadcasting show highlights the challenges of reforming ARD and ZDF, revealing entrenched viewpoints and resistance to diverse perspectives.
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Die Aufregung über eine neue Sendung zeigt die Misere des öffentlichrechtlichen Rundfunks in Deutschland

ARD und ZDF sollen durch kritischen Journalismus die demokratische Debatte stärken. Kaum probiert genau das eine Journalistin, hagelt es Kritik aus den eigenen Reihen. Können diese Anstalten überhaupt noch reformiert werden?

Der ZDF-Moderator Jan Böhmermann findet es falsch, wenn bei den öffentlichrechtlichen Sendern Meinungen vertreten werden, die ihm nicht passen. Rolf Vennenbernd / DPA / Keystone

Sie lesen einen Auszug aus dem Newsletter «Der andere Blick am Abend», heute von Johannes Boie, Autor der NZZ Deutschland. Abonnieren Sie den Newsletter kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft? Hier profitieren.

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Der Norddeutsche und der Bayerische Rundfunk haben sich ein neues Format ausgedacht. Es heisst «Klar» und behandelte in seiner ersten Ausgabe die negativen Seiten der irregulären Migration nach Deutschland: zum Beispiel Messerattacken und Morde durch Asylsuchende. Es ist eine journalistische Aufarbeitung, wie sie noch vor ein paar Jahren im «Spiegel» hätte stehen können. Kritisch und, ja, auch einseitig.

Im Fokus steht der Teil der Migration, der nicht klappt. In den vergangenen Jahren gab es unzählige Beiträge in öffentlichrechtlichen Sendern, die über die positiven Seiten von Migration berichtet haben: syrische Ärzte, afghanische Zuwanderer mit grossem Herzen, die sich hier eine Existenz aufbauen.

Beide Sichtweisen können journalistisch aufbereitet werden, beide haben ihre Berechtigung; allerdings gehört zum Journalismus, dass meistens mehr auf Probleme als auf Positives geschaut wird. Schliesslich ist das Ideal der kritische, nicht der unkritische Journalismus.

Vernichtende interne Kritik

Dass sich BR und NDR dazu entschieden haben, der kritischen Recherche auch im Hinblick auf das Reizthema Migration eine Chance zu geben, dürfte deshalb in einer gesunden Demokratie samt pluralem öffentlichrechtlichem Rundfunk zu nicht mehr als einem Programmhinweis führen: Guckt mal, ein neues Format.

Stattdessen geht ein Aufschrei durchs Land – und ganz vorne dabei sind die bekanntesten Köpfe des öffentlichrechtlichen Rundfunks selbst. «Wenn demnächst in Ihrer Wehrsportgruppe oder beim AfD-Kinderturnen überraschend ein verzweifelter Redakteur vom NDR oder vom BR vorbeikommt und Sie fragt, ob Sie vielleicht Lust haben, ein eigenes, journalistisches Klartext-Format im öffentlichrechtlichen Rundfunk zu moderieren, und Sie sich dann unsicher sind, wie Sie diesen ganzen rechtspopulistischen Quatsch in Ihrer Birne als seriösen Journalismus verkaufen können, dann habe ich einen kleinen Tipp für Sie», ätzte der ZDF-Moderator Jan Böhmermann.

Die herabwürdigende Kritik steht für sich. Sie zeigt, wie sehr sich ARD und ZDF daran gewöhnt haben, eine Meinung nach aussen durchzusetzen und gemeinsam für richtig zu erklären. Kritik daran ist unerwünscht. Die Reaktion zeigt ausserdem, wie sehr sich prominente Gesichter des öffentlichrechtlichen Rundfunks als Hüter gesellschaftlicher Narrative begreifen. Wird dann an diesem Kritik geübt, fühlen sie sich persönlich getroffen.

Die Beispiele dafür reichen weit über Böhmermanns Sendung hinaus. Unvergessen ist beispielsweise, wie die «Tagesschau» sich weigerte, über einen Mord zu berichten, der ganz Deutschland mit Sorge erfüllte; nämlich den an Maria L., einer Studentin, die in Freiburg im Breisgau von einem Afghanen vergewaltigt und dann ermordet wurde, der bereits zuvor eine Frau von einer Klippe gestossen hatte. Aufgrund ihrer Charakteristika und von Aussagen des Täters wurde die Tat zum Kristallisationspunkt der Migrationsdebatte. Doch die «Tagesschau» sah keine Relevanz.

Wenn Meinung mehr zählt als Handwerk

Es geht gerade bei diesem Thema um Deutungshoheit. Böhmermann als fragwürdigste Figur der öffentlichrechtlichen Medien kann sich nur noch deshalb halten, weil es in den Sendern den Willen gibt, seiner Meinung Platz zu verschaffen. Würde er nach journalistischen Massstäben beurteilt, hätte der ZDF-Komiker längst gehen müssen.

Die Liste seiner handwerklichen, sachlichen, journalistischen Fehler ist Legende; am dramatischsten war es vermutlich, dass Böhmermann Arne Schönbohm, damals Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, als mit russischen Geheimdiensten verbunden darstellte. Schönbohm verlor seinen Job – an den Vorwürfen war nichts dran.

Dass in vielen Gewerken der öffentlichrechtlichen Anstalten die Meinung mehr zählt als das Handwerk, wissen die Chefs dort selbst. Hinter vorgehaltener Hand und ohne dass man sie öffentlich zitieren darf, beklagen sie, in den gigantischen Anstalten quasi machtlos zu sein. Die schiere Zahl von etwa 25 000 festen Mitarbeitern zuzüglich der Zehntausende freier Mitarbeiter, das aufgeblähte, überladene und hochkomplizierte System aus Hierarchien, Räten, Gremien und Konferenzen machen radikale Schnitte, Neuerungen und Innovation nahezu unmöglich.

An dem Monstrum haben sich Generationen von Möchtegern-Reformierern die Zähne ausgebissen. Dabei kam bislang in aller Regel nur heraus: noch mehr von allem, insbesondere vom Geld der Gebührenzahler. Die drastischste Reform war jene, in der die Gebühr zu einer Art Steuer gemacht wurde, die – auch das trägt zur sinkenden Glaubwürdigkeit der Sender bei – nicht «Steuer» genannt werden darf, aber de facto von fast jedem in Deutschland bezahlt werden muss. Auch dann, wenn die Person gar kein Empfangsgerät besitzt. So ist der deutsche öffentlichrechtliche Rundfunk einer der grössten der Welt – und, je nach Lesart, der teuerste.

Unter dem Druck der gesellschaftlichen Veränderungen und einer Bevölkerung, die ARD und ZDF zunehmend ablehnt, entstehen seit ein paar Monaten hier und da sanfte Zeichen eines Wandels. Insbesondere beim NDR hat der scheidende Intendant Joachim Knuth versucht, durch mehr lokale Berichterstattung und durch das gezielte Einbinden konservativerer Meinungen dem Auftrag des Senders stärker gerecht zu werden. Es sind Versuche, aber Tropfen auf den heissen Stein, die letztlich verpuffen. Wenig spricht dafür, dass eine grundlegende Veränderung gelingt.

Ein Format wie «Klar» von BR und NDR ist ein bemerkenswerter Versuch für mehr Meinungsvielfalt im Programm. Letztlich gilt aber auch hier: Die Ausnahme bestätigt die Regel. Und selbst die lassen sich die Anstalten selber nicht durchgehen.

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