Stand: 13.05.2025, 05:26 Uhr
Von: Kilian Pfeiffer
DruckenTeilen
Ein historischer Forstweg im Nationalpark Berchtesgaden ist zum Zankapfel geworden. Die Gemeinde Ramsau plant dort die Verlegung von Leitungen, doch der Bund Naturschutz klagt dagegen. Nun muss das Gericht entscheiden.
Ramsau – Es ist ein schmaler Weg, der zu einem Streit geworden ist, der nun, nach langem Warten, vor Gericht landet. Am 21. Mai verhandelt das Bayerische Verwaltungsgericht in München über die Klage des Bund Naturschutz gegen ein umstrittenes Infrastrukturprojekt im Nationalpark Berchtesgaden. Im Zentrum steht ein zwei bis zweieinhalb Meter breiter, historischer Forstweg, der im Zuge der Erschließung auch der Bundespolizei mit einem Trainingszentrum dienlich wird.
Die Gemeinde Ramsau verfolgt das Projekt seit Jahren: Geplant sind die Verlegung einer Trinkwasserleitung, einer Abwasser-Gefälledruckleitung, ebenso Stromleitung, Telekommunikation und Breitband sowie ein Leerrohr – all das eingebettet in die alpine Kulturlandschaft am Fuße des Watzmanns. Nicht nur Almbauern und Gastwirte sollen davon profitieren, sondern auch die Bundespolizei, die auf Kühroint einen ganzjährig betriebenen Trainingsstützpunkt unterhält. Dort ist ein millionenschwerer Ausbau im Gespräch – doch die bestehende Infrastruktur gilt als veraltet.
Für die Gemeinde ist die Sache klar: Die Verlegung der Leitungen im alten Forstweg sei die wirtschaftlichste und ökologisch verträglichste Variante. „Wir kamen dem Bund Naturschutz in vielfältiger Weise entgegen“, betonte Ramsaus Erster Bürgermeister Herbert Gschoßmann bereits 2023. Die Untere Naturschutzbehörde und der Nationalpark haben der Trassenführung zugestimmt. Rund 700 Meter Weg müssten geöffnet werden, um die Leitungen zu verlegen. Die Alternative – eine Nutzung der bestehenden breiten Forststraße – würde laut Schätzungen eine Million Euro mehr kosten und zusätzliche Pumpanlagen erfordern. Am Ende, warnt der Bürgermeister, scheitert das ganze Projekt.
Doch beim Bund Naturschutz hält man die gewählte Variante für einen Irrweg, wie die Naturschützer erst bei einem kürzlichen Treffen betonten. Dort zeigt man sich zuversichtlich im Hinblick auf den anstehenden Gerichtstermin „Das ist ein alter Weg, dessen Böschungsmauern noch händisch aufgesetzt wurden und unbedingt erhaltenswert sind“, sagt Rita Poser, Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz im Berchtesgadener Land. Sie ist eine der Initiatoren der Klage, die schon seit langem beschlossen ist, aber nun – aus Sicht der Naturschützer: endlich – vor Gericht kommt. „Es geht hier um die Umweltverträglichkeit“, sagt Poser. Sie warnt vor massiven Eingriffen ins Wurzelwerk und in die angrenzende Vegetation. Wie man auf einem rund zwei Meter breiten Weg mit schwerem Gerät Kabel und Rohre verlegen möchte, ohne die Umgebung zu zerstören, kann sie nicht verstehen.
Mehr zum ThemaMarkus Leitner auf Tuchfühlung mit Geiern und Gämsen: Der ‚Adlergraf‘ des Nationalparks BerchtesgadenTatsächlich handelt es sich bei dem betroffenen Weg um ein historisches Wegesystem, das einst von Hand für forstliche und jagdliche Zwecke angelegt wurde – mit aufgesetzten Trockenmauern und eingefasstem Pflaster. So etwas ist selten geworden. In den Wäldern dominieren breit ausgebaute Forststraßen, so wie etwa die breite Forststraße auf Kühroint, Ende der 1980er-Jahre gebaut. In der Nationalparkverordnung ist der Schutz solcher landschaftstypischer Altwege verankert. Für Rita Poser ist der Rest des historischen Weges deshalb ohne Zweifel zu schützen. Wenn man dort erst einmal grabe, sei der Schaden nicht mehr rückgängig zu machen.
Trotz allem wurden naturschutzrechtliche Befreiungen erteilt – unter anderem durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. In einem entsprechenden Bescheid heißt es, das Vorhaben sei „aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig“. Auch das Wasserwirtschaftsamt Traunstein hatte sich dazu positiv geäußert. Doch die Naturschützer wollen das nicht auf sich sitzen lassen: Auch BN-Mitglied Hermann Amann warnt vor dem Ausbau über den alten Weg. Der kürzere Weg sei nicht der günstigere. Er zweifelt am Argument der Kostenersparnis. „Wenn da unvorhergesehene Dinge kommen, wird der Ausbau schnell teurer.“ Beim Bund Naturschutz argumentiert man, dass es mit der bereits bestehenden Forststraße schon eine technisch erprobte, weniger sensible Variante gibt. Warum also der Eingriff in ein Stück weitgehend intakte Natur?
Fakt ist: Das Gericht wird entscheiden, ob die Erschließung mit der Nationalparkverordnung vereinbar ist. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung steht im Raum. Einen Ortstermin wird es wohl nicht geben – das Verfahren dürfte auf Basis der Aktenlage entschieden werden. Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel: Für die Gemeinde geht es um Versorgungssicherheit, Infrastruktur und Kosten. Für den Bund Naturschutz um ein Grundprinzip: Dass Schutzgebiete nicht scheibchenweise durch wirtschaftliche Interessen ausgehöhlt werden dürfen. In der Gemeinde Ramsau war man sich schon vor zwei Jahren einig, dass das Thema wohl nur vor Gericht entschieden werden kann. „Wenn all unsere Gespräche nichts gebracht haben, müssen eben andere entscheiden“, sagte damals Bürgermeister Gschoßmann. (kp)
Mehr zum ThemaVerbotenes Campen in Berchtesgaden: Münchner müssen nach Brand tief in die Tasche greifenSkip the extension — just come straight here.
We’ve built a fast, permanent tool you can bookmark and use anytime.
Go To Paywall Unblock Tool