AboUrteil im Sigriswiler Spesenstreit –
Beide Streithähne werden zur Kasse gebetenNur Verlierer beim Showdown: Grossrätin Madeleine Amstutz und Alt-Nationalrat Adrian Amstutz schenkten sich auch vor Gericht nichts. Zurück bleibt ein riesiger Scherbenhaufen.
Am Ende gibt es nur Verlierer. Sowohl die Sigriswiler Grossrätin Madeleine Amstutz als auch Alt-Nationalrat Adrian Amstutz werden zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Madeleine Amstutz hat laut dem Thuner Richter interne Dokumente an den Regierungsstatthalter weitergereicht und damit das Amtsgeheimnis verletzt.
Zudem hat sie in einem Brief an die SVP-Grossratsfraktion ihren Namensvetter Adrian Amstutz, mit dem sie nicht verwandt ist, in einer Weise beschuldigt, die nicht gerechtfertigt war. Sie bezichtigte ihn im Schreiben unter anderem, eine Mobbingkampagne gegen sie zu führen und eine «parteiinterne Säuberungsaktion» zu orchestrieren. «Es war ein Rundumschlag», sagte der Richter. Wegen der beiden Vergehen wird sie mit einer bedingten Geldstrafe in der Höhe von 43 Tagessätzen à 140 Franken (6020 Franken) sowie einer Busse von 980 Franken bestraft.
Adrian Amstutz seinerseits hat sie laut dem Urteil, das der Richter am Montagnachmittag bekannt gab, an mehreren SVP-Veranstaltungen im Jahr 2021 persönlich attackiert. Er behauptete, dass Madeleine Amstutz ungerechtfertigt Geld abkassiert habe, unter anderem indem sie im Stundenlohn auf dem Friedhof mitgetrauert habe. In ihrer damaligen Funktion als Gemeindepräsidentin sei dies in der Spesenvergütung inbegriffen gewesen.
Der Richter belegte Adrian Amstutz wegen übler Nachrede mit einer bedingten Geldstrafe in der Höhe von 40 Tagessätzen à 300 Franken (12’000 Franken) sowie einer Busse von 3000 Franken.
Sowohl Madeleine Amstutz als auch Adrian Amstutz, welche zudem die Verfahrenskosten von jeweils mehreren Tausend Franken auferlegt bekamen, können die Schuldsprüche noch weiterziehen.
Am zweitägigen Prozess am Regionalgericht Oberland kamen etliche Weggefährten zu Wort. «Adrian Amstutz und ich hatten eine wunderbare Freundschaft», sagte beispielsweise der ehemalige Thuner SVP-Grossrat Carlo Kilchherr. «Seine Tür stand für mich immer offen.»
Das Verhältnis ist dann aber abgekühlt, als sich Kilchherr auf die Seite von Madeleine Amstutz geschlagen hat. «Ich bedaure, dass es so weit gekommen ist.» Er hoffe immer noch, «dass sich die Streithähne endlich die Hand geben und die alte Geschichte abschliessen».
Mit der alten Geschichte meint Kilchherr den Sigriswiler Spesenstreit. Er wird seit 2019 in unschöner Regelmässigkeit zum Thema. Nicht selten vor einem Thuner Richter. Die Sigriswiler Grossrätin Madeleine Amstutz zieht alle vor Gericht, die ihr angeblich schaden wollen.
Dieses Mal war Alt-Nationalrat Adrian Amstutz an der Reihe. Zweifelsfrei ihr Hauptgegner. In der Vergangenheit hat sie immer wieder behauptet, er sei der Strippenzieher der Kampagne gegen sie, wolle sie aus der Politik mobben, weil sie SVP-Mitgliedern vor der Sonne stehe.
«Ich rede Klartext», gab Adrian Amstutz zu Protokoll. Und liess ein von ihm bekanntes Zitat folgen: «Manchmal muss man dem Büsi einfach mal Katze sagen.» Die ihm vorgeworfenen Begriffe «gelogen», «betrogen» oder «beschissen» will er allerdings nicht in den Mund genommen haben.
Mehrere Zeugen, unter anderem der Thuner Stadtpräsident Raphael Lanz, erinnerten sich an «hart, aber stets fair und anständig geführte Diskussionen». Die Zeugen auf Madeleine Amstutz’ Seite wollten die Ausdrücke dagegen gehört haben. Letztlich fehlte dem Richter der Beweis, dass Adrian Amstutz die Wörter tatsächlich gebraucht hat.
Amstutz und Amstutz beschuldigten sich vor Gericht munter gegenseitig, liessen kein gutes Haar am Gegenüber. Beide sahen sich als Opfer. «Es war eine politische Mordkampagne», sagte beispielsweise Madeleine Amstutz. «Sie will nur ihr Fehlverhalten vertuschen», konterte Adrian Amstutz.
Es war spürbar, wie viel Geschirr zerschlagen wurde. Madeleine Amstutz geht es um ihre politische Karriere, die mit dem Spesenstreit ins Stocken geraten ist. So wurde sie unterdessen aus der SVP ausgeschlossen und ist auch nicht mehr Teil der SVP-Grossratsfraktion. Das tut ihr weh, galt sie doch lange Zeit als potenzielle Nationalrätin. Davon ist sie aktuell weit entfernt.
Dass sie bei ihrem Aufstieg mit grosser Wahrscheinlichkeit auch vom Namen Amstutz profitiert hat, ist fast schon ironisch. Denn nun ist ihr Namensvetter Adrian Amstutz mit ein Grund dafür, dass sie politisch isoliert ist.
Aber auch Adrian Amstutz ist auf der Verliererseite. Er, der eine schöne Politkarriere gemacht hat, unterschätzte die Situation in der eigenen Gemeinde. Es gab keinen Grund, sich in den Spesenstreit einzumischen. Er hätte das Feld getrost anderen überlassen können. Er hatte seine Kämpfe ausgetragen.
So ist er in seiner Laufbahn den Leuten oft auf die Füsse getreten, hat den Finger in Wunden gelegt. Aber in Sigriswil war er immer der «Adu». Unantastbar. Halt einer von hier. Einer, dessen Wort viel, ja sehr viel zählt.
Mit Madeleine Amstutz, die lange Zeit sogar im gleichen Dorf, in Schwanden, wohnte, bekam er aber eine unerwartet hartnäckige Widersacherin. Eine, die nicht so leicht klein beigibt. Eine, die mit ihrer umtriebigen Art auch zu mobilisieren vermag.
Das führte dazu, dass Adrian Amstutz in der eigenen Gemeinde angefeindet wurde. Das schmerzte. Und auch die Tatsache, dass Sigriswil auf Jahre hinaus gespalten worden ist. Es ist eine Glaubensfrage: Entweder ist man für Madeleine Amstutz, oder man ist für Adrian Amstutz.
Und was bleibt? Ein grosser Scherbenhaufen. Es gab Ungereimtheiten bei den Spesen. Ja. «Es wurde tschiluggeret», wie es Adrian Amstutz in seiner unnachahmlichen Sprache ausgedrückt hat. Das hat der Sigriswiler Gemeinderat auch festgestellt, die Akte dann aber geschlossen, weil auch bei der Kontrolle Fehler gemacht wurden.
Dass der Fall vom damaligen Gemeinderat neu aufgerollt worden ist, war aber auch falsch. Das ist juristisch erwiesen. Leider haben beide Seiten keinen Weg raus gesehen, um das Gesicht zu wahren. Deshalb haben sie den Weg noch tiefer hinein gesucht. Auch das war ein Fehler.
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