Am 9. Mai feiert Russland 80 Jahre Sieg über Nazi-Deutschland mit einer grossen Militärparade. Laut dem Kreml haben über zwanzig Staats- und Regierungschefs ihre Teilnahme bestätigt. Geleakte Videos zeigen zudem: Dieses Jahr könnte alles anders werden als sonst.
Rund 7 Millionen russische Soldaten in den Reihen der Roten Armee starben im Zweiten Weltkrieg. Dazu kommen 4 bis 5 Millionen tote russische Zivilisten. Kein Land zahlte bei der Niederringung von Nazi-Deutschland einen höheren Blutzoll. Die gesamtsowjetischen Verluste werden auf mindestens 25 Millionen Tote geschätzt.
Dementsprechend wird in Russland der 9. Mai, der «Tag des Sieges», seit Jahrzehnten mit einer pompösen Militärparade in Moskau gefeiert. So auch dieses Jahr, wenn sich das Ende des «Grossen Vaterländischen Krieges» zum 80. Mal jährt.
Seit Kreml-Herrscher Wladimir Putin vor drei Jahren sein ukrainisches Nachbarland überfallen hat, fällt es Russland aber immer schwerer, geeignete Gäste für die Festivitäten aufzutreiben. Noch rund zwanzig Staats- und Regierungschefs werden es dieses Jahr sein. «Wir sind froh, alle zu sehen, die bereit sind, mit uns das grandiose Datum zu begehen», sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow diese Woche.
Der wichtigste unter ihnen wird sicher Chinas Präsident Xi Jinping sein, der seine Teilnahme bereits im Februar bestätigt hat. Aber auch Brasiliens Präsident Lula da Silva wird Putin mit seiner Anwesenheit beehren. Und selbst aus Europa werden mehrere Regierungschefs anreisen.
Zu ihnen gehört Serbiens Präsident Aleksandar Vucic. Serbien führt seit jeher eine Pendeldiplomatie zwischen Moskau und dem Westen. Offiziell will das Land zwar in die EU, in der Realität steckt der Beitrittsprozess aber längst in der Sackgasse. Für den 9. Mai soll Vucic gemäss russischen Medienberichten planen, sogar serbische Militäreinheiten bei Putins Parade mitlaufen zu lassen.
Daneben wird der Putin-nahe slowakische Premierminister Robert Fico anreisen. Von den amtierenden EU-Staats- und Regierungschefs ist er der einzige, der sich nach Moskau wagt. Nicht einmal Putin-Kumpel Viktor Orbán hat die Einladung angenommen. Womöglich hat Orbán auch gerade anderes zu tun. In den Umfragen liegt er konstant hinter dem Polit-Senkrechtstarter Peter Magyar mit seiner neu gegründeten «Tisza»-Partei. Im Frühjahr 2026 stehen in Ungarn Wahlen an. Orbán zittert um seine Macht.
Zeitweise ging aber auch das Gerücht um, US-Präsident Donald Trump könnte an den Feierlichkeiten teilnehmen. Nachdem Trump und Putin im Februar zum ersten Mal telefoniert und offiziell vereinbart hatten, sich gegenseitig zu besuchen, schrieb das französische Wochenmagazin «Le Point», eine Reise für den 9. Mai würde vorbereitet.
Das wäre zeitlich auch gut aufgegangen: Die US-Regierung wollte ursprünglich einen Waffenstillstand oder Friedensschluss zwischen der Ukraine und Russland bis zum Ostersonntag am 20. April anpeilen. Der 9. Mai käme nur drei Wochen später und läge damit optimal für ein Treffen der Präsidenten.
Es wäre der ultimative Propagandaerfolg für Putin gewesen. Weil Russland aber auf Zeit spielt und kein ernsthaftes Interesse an einem Ende seines Krieges gegen die Ukraine zeigt, ist der Osterfrieden vom Tisch. Und damit auch der amerikanische Besuch auf dem Roten Platz.
Dass mit Serbiens Präsident Aleksandar Vucic ein EU-Beitrittskandidat nach Moskau fährt, sorgt in Brüssel für Missfallen. Anfang der Woche hatte die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas insbesondere alle EU-Kandidatenländer vor Konsequenzen gewarnt.
Angesichts des gross angelegten Angriffskriegs Russlands auf Europa habe man «sehr deutlich klargemacht», dass man keine Teilnahme an Putins Parade wünsche und eine solche nicht auf die leichte Schulter nehmen würde, so Kallas am Rande eines Treffens der EU-Aussenminister. Stattdessen schlug die ehemalige Premierministerin Estlands vor, nach Kiew zu reisen. Tatsächlich hat die Ukraine eine entsprechende Einladung ausgesprochen.
Natürlich wird der Sieg über Hitler auch in Kiew gefeiert. Von allen Sowjetländern verlor die Ukraine zusammen mit Russland und Weissrussland am meisten Menschen im Zweiten Weltkrieg. Über 1,3 Millionen ukrainische Soldaten und bis zu 6 Millionen ukrainische Zivilisten verloren ihr Leben. Seit der ersten russischen Invasion des Donbass 2014 und der Annexion der Krim-Halbinsel wird mit der sowjetischen Erinnerungskultur in der Ukraine jedoch anders umgegangen. Der offizielle Feiertag zum Sieg über den Nationalsozialismus ist seit 2023 wie in Westeuropa nun der 8. Mai.
Dazu kommt, dass der Fokus der Siegesparade in Moskau ohnehin vom Weltkriegsgedenken wegverschoben werden könnte. Nach unbestätigten Informationen dürften Einheiten, die im Ukraine-Krieg gedient haben, einen besonders prominenten Auftritt erhalten.
Ein Video, das im Internet kursiert und in Jekaterinburg bei einer mutmasslichen Probe für die Parade gefilmt worden sein soll, zeigt mit Drohnenkäfigen versehene Kampfpanzer, wie man sie vom ukrainischen Schlachtfeld her kennt. Dazu kommen Tanklaster, mobile Sanitätseinheiten und elektronische Kampfmittel.
Für den Militärexperten Nico Lange ist die Symbolik hier klar: «Putin will bei seiner Parade eine erfahrene und kampfbereite Invasionsarmee zeigen, die von der Parade aus direkt an die Front in der Ukraine oder ins Baltikum fahren kann». Quasi als Botschaft an die Welt, so Lange gegenüber der «Bild»-Zeitung.
Skip the extension — just come straight here.
We’ve built a fast, permanent tool you can bookmark and use anytime.
Go To Paywall Unblock Tool