Einmal Wagner, immer Wagner: Erasmus Söll (90) aus Erharting ist fast täglich in der Werkstatt


At 90 years old, Erasmus Söll, a craftsman from Erharting, Germany, continues his passion for woodworking in his well-equipped workshop, showcasing a lifetime of skills and dedication.
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Einmal Wagner, immer Wagner: Erasmus Söll (90) aus Erharting ist fast täglich in der Werkstatt

Stand: 27.05.2025, 11:04 Uhr

Von: Josef Enzinger

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Erasmus Söll hat das Handwerk auch mit 90 Jahren nicht verlernt. © Enzinger

Er hat Königinnen gezüchtet, Fahrräder repariert, Böden verlegt. Am liebsten aber arbeitet er mit Holz. Auch wenn Erasmus Söll nach einem Schlaganfall körperlich eingeschränkt ist: Selbst mit 90 Jahren steht er beinahe täglich in seiner Werkstatt in Erharting, die einem Museum gleicht.

Erharting – Die Werkstatt ist klein, aber fein. Hinten an der Wand hängt noch ein hellgraues Telefon mit Wählscheibe. Stemmeisen unterschiedlicher Größe sind fein sortiert im Werkzeugschrank. Frische Sägespäne liegen unter der Bandsäge, die zweifellos am meisten Nostalgie versprüht. „Eine Bandsäge der Maschinenfabrik Schunk aus Bad Aibling. Sie funktioniert immer noch einwandfrei“, berichtet Erasmus Söll nicht ohne Stolz.

Säge gleicht einem Museumsstück

Dabei ist die Säge sogar noch älter als der Handwerker, der sie bedient. Söll kam 1935 auf die Welt, die Säge stammt aus dem Jahr 1912. Die Werkstatt, in der die Säge steht, ist seit 1949 seine zweite Heimat. Am 1. September nämlich hat er damals die Lehre zum Wagner bei seinem Onkel Anton Söll begonnen.

Erasmus Söll stammt eigentlich aus Perach, dort wuchs er auf. Schon damals interessierte ihn die Imkerei. Er weiß noch genau, dass ihm der Vater sein erstes Bienenvolk gekauft hatte, als er die 7. Klasse der Volksschule besucht hatte. „Für 35 Reichsmark!“ Die Imkerei ließ ihn von da an nicht mehr los. Ab 1980 beschäftigte er sich sogar mit der Königinnenzucht, bis zu 80 Völker betreute Söll in all den Jahren.

Drei Lehrjahre lang sollte er bei seinem Onkel zum Wagner ausgebildet werden, bevor er 1952 die Gesellenprüfung ablegte. Da war die Motorisierung schon weit fortgeschritten. Das Wagnerhandwerk verlor zusehends an Bedeutung. Sein Onkel hat die Zeichen der Zeit aber rechtzeitig erkannt, Fahrradverkauf und Reparatur wurden das Metier der Sölls, die bald auch schon Motorräder verkauften.

Söll kramt in einer Kiste voller Erinnerungen, zieht ein Bild hervor, das ihn als schneidigen jungen Mann im Arbeitsmantel neben einer NSU Fox mit 125 Kubik und einer Mars Monza zeigt. „Das erste Moped haben wir damals einen gewissen Herrn Mayerhofer aus Töging ausgeliefert“, weiß er noch ganz genau, das Gedächtnis hat den 90-Jährigen bei Zahlen und Daten noch nie im Stich gelassen. „Das Moped ging knapp 40 km/h!“, ergänzt er.

Ein Kassenbuch von 1910 und drüber ein Bild vom jungen Erasmus Söll neben einer NSU Fox. Das war in den 50er Jahren. Heute ist Söll 90 Jahre alt und weiß viele Geschichten zu erzählen. © Enzinger

1962 übernahm Söll den Betrieb des Onkels. Es war auch das Jahr, in welchem er seine Maria heiratete. „Die Chefin“, nennt er sie heute noch liebevoll, sechs Jahre, nachdem sie gestorben ist. Eine Liebe, die von den Schwiegereltern übrigens nicht gerne gesehen war, verrät er. Er kam aus einfachen Verhältnissen, sie entstammte einem reichen Bauerngeschlecht. Das passte eben nicht zusammen. Doch nach einigen Tanzabenden in Gangkofen, waren sich die beiden sicher: Diese Liebe hält auch dem Protest des Vaters Stand.

Vier Töchter schenkte ihm seine „Chefin“, die ihm auch in seiner beruflichen Tätigkeit immer unterstützt hatte. Söll fand im Bodenlegen ein neues Betätigungsfeld, verlegte Teppichböden und Parkett. 1985 startete er dann mit der Produktion von Stühlen, die nach Österreich, in die Schweiz, nach Italien und einmal sogar in die USA geliefert wurden. Meine Frau unterstützte mich beim Zusammenbauen sowie bei den Drechselarbeiten. Im Jahr 2000 haben wir 400 Stühle angefertigt!“

Das Arbeiten mit Holz: Stets war Söll zur Stelle, wenn in Erhartinger Kirchen Ausbesserungsarbeiten nötig wurden. Mit zunehmendem Alter ließ er es aber immer ruhiger angehen. Er stellte Eisstöcke her, drechselte Kerzenständer, wenn er nicht gerade beim Schwammerlsuchen war. Nach einem Schlaganfall im November 2018, der zunächst auch eine halbseitige Lähmung nach sich gezogen hat, ist er auf eine Gehhilfe angewiesen.

Die Bandsäge von 1912 ist quasi ein Museumsstück. Sie stammt aus einer Maschinenfabrik in Bad Aibling. © Enzinger

Doch Söll lässt sich nicht unterkriegen. Er geht immer noch täglich in seine Werkstatt, um mit Holz zu arbeiten. In diesem Jahr sind auf diese Weise 200 Osterhasen entstanden, die er an gute Bekannte und an Kindergartenkinder verschenkt hat. Und auch wenn er selbst nicht mehr zum Schwammerlsuchen gehen kann: Dann drechselt Söll einfach dekorative Pilze, die er wiederum verschenken wird.

Die größte Freude macht er sich gerade selbst, indem er eine gewaltige Platte aus Eschenholz bearbeitet. 1,2 Meter breit. 140 Jahre soll sie alt sein. Ein Fundstück aus Engfurt, das ihm die örtliche Brauerei gerne überlassen hat. „Nein, mir wird nicht langweilig“, schmunzelt der 90-Jährige. Das Gegenteil ist der Fall: „Jeder Tag ist mir eigentlich zu kurz!“

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