Spätestens seit er zum Inventar des Oval Office gehört und für Trumps ideologische Agenda Feinarbeit im Groben leistet, scheiden sich am Milliardär Elon Musk die Geister. Gern wird seine Unberechenbarkeit psychisch erklärt, vielleicht aber ist er schlichtweg ein Abenteurer.
Je mehr sein unvorstellbar grosses Vermögen wächst, desto stärker scheint das allgemeine Interesse am privaten Leben von Elon Musk. Psychologische Etikettierungen sind dabei schnell zur Hand: Musk, der Narziss, das Alphatier, der Autist. Das Asperger-Syndrom erwähnt er sogar selbst als kokettes Aperçu seiner Einzigartigkeit.
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Vom getänzelten Frohsinn bis zum gestreckten Arm, der für Sekunden den Hitlergruss assoziieren liess und der Welt mal eben einen Schrecken einjagen sollte, lassen seine bizarren Auftritte leicht übersehen, wie deutlich sein Engagement in einer Kontinuität der geistigen Tradition des Landes steht. Musk verkörpert das puritanische Konzept asketischer Disziplin, das laut Max Weber dem Kapitalismus einst in den Sattel geholfen hat, in geradezu reiner Form.
Musk ist Berufsmensch und von dem Gefühl beseelt, seinen ökonomischen Erfolg ethisch prämiert zu bekommen. Das Pathos eines moralischen Pioniers, der sich einer heiligen Mission verpflichtet sieht, zieht sich wie ein roter Faden durch die Schwerpunkte seines unternehmerischen Interesses und hält sie zusammen. Seine Projekte entstammen der Ingenieur-Phantasie, widerständige Natur lasse sich prinzipiell kontrollieren. Dem sind entsprungen: Tesla, die Produktion von Elektroautos; Starlink, das erdumspannende Satellitennetzwerk; Neuralink, die Entwicklung von Gehirnimplantaten zur Überwindung von sensorischen Einschränkungen wie Blindheit oder Taubheit; schliesslich SpaceX, das Raumfahrtprogramm mit dem Ziel einer Landung auf dem Mars.
Zugrunde liegt alldem der Geist einer für die USA typischen Siedlerkultur, erweitert um eine planetarische Dimension. Mögen andere zum Mond fahren, wir bereiten die Landung auf dem Mars vor.
Wer zum Risiko bereit ist, darf sich zu den Auserwählten zählen.
Das mutige Ausgreifen der Amerikaner in die Natur gründet auf der Erfahrung von Verortungsverlusten. Wer zur Mobilität gezwungen ist, verklärt den Ortswechsel in Richtung einer Bereitschaft, in neues, unbekanntes Terrain aufzubrechen. Die Besiedlung, das Unterwegssein als eine Herausforderung beflügeln den Mut, sich gegen eine als stärker gedachte Umwelt behaupten zu können. Hier liegen die Wurzeln für den unerschütterlichen Gestaltungsoptimismus, das herausragende Merkmal des amerikanischen Habitus. Grenzen, ja Begrenztheit gibt es nicht.
Die Slogans, die zum Aufbruch und zur erfolgreichen Bewährung im Unbekannten aufrufen, wechseln, ihre Botschaft bleibt dieselbe: die autosuggestive Gewissheit des Gelingens, von der sich Einheimische wie Zuwanderer, selbst noch die Ärmsten der Armen, anstecken lassen. Obamas «Yes, we can», Frank Sinatras «I did it my way», Trumps «Make America great again» variieren den Traum von einem «golden age».
Der gleichsam gottgestützte Elan kann Berge versetzen, er adelt die Initiative. Wer zum Risiko bereit ist, darf sich zu den Auserwählten zählen. Ihnen ist tägliche Pflicht, «dass die Askese sich innerhalb der Ordnungen der Welt: Familie, Erwerbsleben, soziale Gemeinschaft zu bewegen hat», wie Max Weber schrieb. Das Ziel, dem alles berufliche Handeln untergeordnet ist, ist die Idee der Machbarkeit.
Das Karriereprofil von Elon Musk, der als Siebzehnjähriger seine Heimat Südafrika verlässt, um zunächst in Kanada, später in den USA sein Glück zu versuchen, folgt dem unwiderstehlichen Sog des ingenieuralen Entdeckermilieus. Im Silicon Valley verknüpfen sich Expansionsoptimismus, Risikofreude und Experimentierlust zu einer geradezu rauschhaften Melange.
Die Milliardäre aus der Subkultur der Technologiebranche bilden Musks Referenzgruppe. Sie geben die Kriterien für Status und Prestige vor, ihnen gegenüber wird der eigene Erfolg herausgestellt. Wie in «Rebel Without a Cause», dem legendären James-Dean-Film, konkurrieren sie untereinander um die Bewährung gegen den Zweifel, gegen das, was die Statistik, der gesunde Menschenverstand für unwahrscheinlich hält.
«Das Unberechenbare des Handelns zu derselben Voraussetzung machen wie ein anderer nur das Berechenbare», so beschrieb der deutsche Soziologe Georg Simmel den Abenteurer. Abenteurern geht es nicht primär um Vermögen. Das verdiente Geld ist nicht mehr als «a string of zeros that existed in some strange space of its own», wie die Schriftstellerin Justine Wilson, Elon Musks erste Frau, kommentierte. Einen Prestigegewinn verschafft dagegen die Aufgabe in der Trump-Administration. Aber nicht etwa, weil sich Musk als Patriot im Dienste der amerikanischen Nation hervortäte.
Wichtig daran ist der Coup, es als Unternehmer an die Spitze der politischen Exekutive gebracht zu haben – in einer Position zu arbeiten, ohne Amt –, ein Etappensieg des Abenteurers auf der Jagd nach Chancen. Die demonstrative Lust an der Exzentrik tobt sich im rigorosen Zugriff auf die Institutionenordnung aus, wobei er noch als ein Abenteurer das Ideal verkörpert, von dem Trump als sein Arbeitgeber träumt: Es geht ums Roden, darum, das radikal Neue zu wagen, darum, im Inneren des bürokratischen Gehäuses die Auslöschung ineffizienter Komplexität einzuleiten. Das geht mittlerweile einher mit der destruktiven Energie eines Unternehmers, der unverhohlen dabei ist, sich zu bereichern und den Staat zur eigenen Beute zu machen.
Elon Musks Selbstdefinition als Pionier einer neuen Zeit ist zunehmend um eine scharfe, bisweilen hämische Distanz zur amerikanischen, ja westlichen Durchschnittsexistenz erweitert. Der Gestus des Aussergewöhnlichen, der alles riskiert und damit erfolgreich ist, bringt sich in nichts so deutlich zum Ausdruck wie gerade im privaten Lebenszuschnitt. Vater von dreizehn Kindern in einer Abfolge von drei Partnerschaften, dies mutet zunächst wie eine moderne Patchwork-Konstellation an. Das würde im Lebenszuschnitt im Milieu der Tech-Berufe nicht überraschen. Dort, wo die Arbeit Kultstatus hat, erscheint der Wunsch, sie zu unterbrechen, etwa um dem menschlichen Schlafbedürfnis nachzugeben, als Zumutung. Ähnlich sperrig verhielte es sich mit Begrenzungen, die einem Vaterschaft und Elternschaft auferlegen.
Bei Elon Musk eröffnen zwei Eigentümlichkeiten den Blick auf eine weitere Dimension des privaten Lebens: Alle seine Kinder kamen über die künstliche Reproduktion zur Welt. «I was the starter wife», kommentiert Justine Wilson, Mutter der ersten sechs Kinder. Während nun deren Vornamen Nevada Alexander, Griffin, Vivian, Kai, Saxon und Damian noch im Horizont kulturell üblicher Namensgebungen verbleiben, signalisieren die Vornamen der folgenden Kinder, X Æ A-XII, Exa Dark Sideræl, Techno Mechanicus sowie Seldon Lycurgus, einen aufschlussreichen Wechsel im Lebensentwurf.
Kinder erscheinen nicht etwa als Nachwuchs, dem aufgetragen ist, die Erfahrungen vergangener Generationen in eine offene Zukunft zu tragen, vielmehr als Speicher einer genetischen Optimierung; ihre Namen klingen wie Unternehmensprojekte, verbĂĽrgt durch die Vaterschaft von Musk.
Der Kinderreichtum ist dabei durchaus Programm. Angesichts seiner Diagnose von der moralischen Verkommenheit der westlichen Welt fühlt Musk sich berufen, den genetischen Pool von Menschen zu sichern, die sich gegenüber den typischen Schwächen und Fehlbarkeiten eines menschlichen Lebens als durchsetzungsstark erweisen sollen. Die offen artikulierte eugenische Zielsetzung wundert nicht, legt man das Résumé früher Familienerfahrungen darunter.
Unverkennbar haben sie in Auftritt und Gehabe eine nihilistische Bitterkeit hinterlassen. Musk ist aufgewachsen im Südafrika der Apartheid, unter der Knute eines rabiaten Vaters. Hier hat er den Kampf gegen Schwäche kennengelernt. Schon in seinem Elternhaus wurde das Ethos eines unerschrockenen Behauptens gegen die widerständige Natur gepflegt. Die Hierarchie unter den Menschen, mit dem Vorrang der Weissen, galt als selbstverständlich.
War es einst die Emanzipation der Schwarzen, der man sich entgegenzustellen hatte, so rückt der Geburtenrückgang der weissen Bevölkerung in westlichen Gesellschaften zum Platzhalter für die These von einer Schwächung der Widerstandskraft nach vorn. Musk setzt dem pronatalistische Phantasien von einer zukünftigen Elite entgegen. Einer Elite, die sich ausdrücklich von Empathie und Verständnis abzugrenzen habe, Generationenbeziehungen nicht ausgenommen. Kinder sollen sich nicht etwa als Erben eines reichen Vaters verstehen, ihr eigener Lebenswille könnte durch die Verführung zur Bequemlichkeit erstickt werden. Die Ingenieursphantasie nimmt in ungeahnter Radikalität den Kernbestand der Sozialordnung aufs Korn.
Kulturelle Selbstverständnisse wie Familienbeziehungen, beständige selbstgeschaffene Institutionen, zivilisatorische Errungenschaften und nicht zuletzt die Rechtsordnung zählen zu den Begrenzungen, die den Elan der neuen Geistesaristokratie hemmen, einer Geistesaristokratie, die den kulturellen Bestand der eigenen Tradition nicht etwa aufnimmt, sondern danach trachtet, sich vom Ballast der Vergangenheit zu befreien.
So rückt das alte Europa, dem die Vereinigten Staaten ihre Entstehung verdanken, ins Zentrum der Angriffe. In Musk artikuliert sich die Philosophie eines unerschrockenen Egoismus gegenüber den vermeintlichen Evidenzen moralischer Verkommenheit. Mittlerweile zählen auch Universitäten dazu, gerade in den USA Orte der institutionell verbürgten Freiheit der Wissenschaft nach alteuropäischem Vorbild.
Angesichts des gespenstischen Zaubers, den Elon Musk verbreitet, wird erst das Ausmass dessen deutlich, was einst der Diagnose von der entzauberten Welt vor Augen stand.
Tilman Allert ist Professor für Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
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