Amerikas beginnender Handelskrieg mit China folgt keinem Masterplan, und doch könnte die Logik des Konflikts zu einer neuen globalen Dynamik führen.
Was grossflächig begann – Zölle für die ganze Welt –, ist unter dem Druck der Märkte mittlerweile im Wesentlichen zu einer massiven Eskalation im Verhältnis zu China geschrumpft. Fast täglich annoncieren beide Seiten immer höhere Zölle. Auf einmal ist die amerikanisch-chinesische Handelsbeziehung grundlegend infrage gestellt; es könnte zu einer massiven Entflechtung der beiden Ökonomien kommen, zu einem Decoupling.
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Und mehr noch: Die handelspolitische Eskalation könnte auch im Bereich der Sicherheitspolitik zu erhöhten Spannungen zwischen den beiden mächtigsten Ländern der Welt führen.
Man hatte allgemein erwartet, dass Trump sich Xi annähern würde, immer wieder sprach er von den guten Beziehungen, die er zum chinesischen Präsidenten habe – und der Hoffnung auf einen grossen, umfassenden Deal. Doch eine exklusive «G-2» – eine gemeinsame Vorherrschaft der USA und Chinas – ist gegenwärtig nicht das wahrscheinlichste Szenario. Viel eher entwickelt sich die Lage in Richtung eines neuen kalten Kriegs, bei dem sich die beiden Seiten mehr oder weniger feindselig gegenüberstehen und um globalen Einfluss konkurrieren.
Was Trump will, wissen nicht einmal seine engsten Mitarbeiter. Sie versuchen selbst immer wieder zu verstehen, was der Plan ist; sie konkurrieren miteinander und versuchen, ihre eigenen Agenden durchzusetzen und sind doch wieder ohnmächtig der Willkür des Bosses ausgeliefert, der impulsiv nach eigenem Gutdünken handelt. Der jüngste U-Turn in der Zollpolitik «kam von Herzen», erklärte der Präsident.
Auch insgesamt gilt: Trump stolpert in die Weltkonflikte hinein, ohne einen Plan zu haben. Geopolitik interessiert ihn nicht, er versteht auch nichts davon.
Seine Welt ist eine andere. Trumps Anspruch, Amerika zu führen, beruht auf zwei Dingen, die er sich zuschreibt: Wie kein anderer Akteur beherrsche er die «Kunst des Deals», und wie kein anderer Politiker verstehe er, was Amerika brauche, nämlich ein Programm des «America first» – bei dem alles daran gemessen wird, ob ein materieller Vorteil für Amerika dabei herausspringt, möglichst unmittelbar.
Zu der «America first»-Agenda kommt ein weiterer Schwerpunkt. Trump will nicht nur Amerika wieder in die Balance bringen, sondern auch gleich die Welt. Zwei Dinge treiben ihn um: der Wunsch nach Frieden einerseits, die Sorge um einen dritten Weltkrieg andererseits.
Mithilfe seiner Fähigkeiten als Dealmaker und der Machtressourcen Amerikas will Trump Frieden stiften: zwischen Russland und der Ukraine, Israel und den Palästinensern, und jetzt hat er auch noch, als drittes Verhandlungsthema, das Iran-Problem angepackt. Trump ist alles andere als ein Isolationist, amerikanische Macht soll die Welt dominieren.
Die Methode, mit der die Welt wieder in die Balance gebracht werden soll, heisst – wie im New Yorker Immobilienbusiness, wo Trump herkommt – der Deal. Zunächst muss man Druck auf die Akteure aufbauen, dann eine Lösung skizzieren, schliesslich in harten Verhandlungen einen Kompromiss schmieden.
FĂĽr diese Aufgabe hat Trump eine Art Surrogat seiner selbst ins Spiel gebracht, den Immobilienkaufmann Steve Witkoff, der nach eigenen Angaben vom Rechtsanwalt zum Immobilienunternehmer wurde, nachdem er Trump beim Verhandeln eines Deals bewundernd zugeschaut hatte. Die Idee ist, dass Witkoff alles vorbereitet und dann der Chef kommt, um den Deal abzuschliessen.
Witkoff leitet mittlerweile drei Verhandlungen: über Frieden zwischen Israel und Palästinensern, mit Russland über die Ukraine – und jetzt auch noch Gespräche mit Iran. Was ihn in Trumps Augen dafür qualifiziert, ist nicht die Kenntnis der geopolitischen Lage in den jeweiligen Regionen, die Vertrautheit mit den Konfliktparteien – es ist Witkoffs Vertrautheit mit der Kunst des Deals.
Die Annahme, mit Deals alles lösen zu können, war auch zentral bei Trumps Entscheidung, die Welt mit neuen Zöllen zu überziehen. Israel, Japan und Südkorea, die ganz besonders von Amerikas Sicherheitsleistungen abhängen, haben schnell Verhandlungsangebote gemacht. China aber hat mit Gegenzöllen reagiert, was jetzt zum Handelskrieg führt.
Damit wird Trump zwangsläufig in die Untiefen der Geopolitik geführt. Einmal mehr gilt: Die Logik dessen, was er weltpolitisch beginnt, verringert seine Optionen und zwingt ihn auf gewisse Pfade.
Das war schon in Bezug auf die Ukraine erkennbar. Trump ging davon aus, dass Russland den Krieg beenden wolle, weil es hohe Verluste hat und weil das vermeintliche russische Ziel, Territorium in der Ostukraine zu erobern, schon erreicht sei. Er übte den Druck einseitig auf die Ukraine aus, weil sie nicht bereit war, ihm einen Blankocheck auszustellen, sondern einen Waffenstillstand oder einen Friedensdeal an Bedingungen knüpfte. Und weil sie nicht bereit war, amerikanische Dienste mit dem unbeschränkten Zugriff auf die Ressourcen des Landes zu entlohnen.
An beiden Ländern hat sich Trump bislang die Zähne ausgebissen. Wenn er tatsächlich Fortschritte machen will, muss er einsehen, dass die Ukraine langfristige Sicherheit gegenüber Russland braucht und dass nur massiver Druck Russland zum Einlenken zwingt.
Auch in Bezug auf Gaza hat Trump seine Ziele nicht erreicht. Seine Drohung an die Hamas, ungenanntes Unheil losbrechen zu lassen, wenn sie die israelischen Geiseln nicht freilasse, wurde von der Hamas ignoriert – und nichts geschah. Und auch alle Phantasien des Präsidenten eines prosperierenden Gazastreifens ändern nichts am realen Elend.
Die Verhandlungen mit Iran dürften ähnlich verlaufen. Nur wenn Teheran den Eindruck bekommt, dass Washington tatsächlich bereit ist, militärische Gewalt gegen das Atomprogramm einzusetzen und Irans regionale Machtposition weiter zu schwächen, könnte das Regime einlenken. Das erfordert aber erheblichen Einsatz Amerikas.
Und jetzt auch noch China. Xi kann nicht anders, als heftig zu reagieren. Er kann nicht einfach einlenken, wenn die USA so massiv gegen Chinas Wirtschaftsinteressen vorgehen. Peking ist offenbar zu dem Schluss gekommen, dass China am längeren Hebel sitzt – oder aber dass diese Auseinandersetzung mit dem geopolitischen Hauptrivalen Amerika unumgänglich ist, auch wenn sie einen hohen Preis hat.
Erneut hat sich Trump durch seinen Aktivismus in eine Lage gebracht, in der er geopolitisch agieren muss – ohne darauf vorbereitet zu sein.
Die Methode Trump, die vor allem darin besteht, an die eigene Genialität zu glauben und nur den eigenen Impulsen zu trauen, führt einstweilen nicht zum Erfolg. Weder hat sich Trump als Friedensstifter bewährt, noch dürfte er im Management der Beziehungen zu China das Ziel erreichen, für beide Seiten vorteilhafte wirtschaftliche Beziehungen auf Basis von Fairness und Reziprozität zu bewahren.
Einstweilen bleibt das Markenzeichen von Trump daher die Disruption, die Zerstörung des Status quo, ohne dass erkennbar wird, welche Art von Neuordnung überhaupt angestrebt wird. Trump legt sich dabei mit allen an, und das auch noch gleichzeitig.
Was Trump zu lösen versucht, sind tatsächliche Probleme: Amerika ist überlastet, und die Verbündeten, allen voran in Europa und im Indopazifik, müssen mehr Beiträge zur gemeinsamen Ordnungsleistung liefern. Der Krieg in der Ukraine muss zu einem Ende gebracht werden. Im Nahen Osten ist Iran ein bedrohlicher Unruhestifter mit einer aggressiven Agenda. China betreibt unfairen Wettbewerb und verbündet sich mit Russland gegen die amerikanisch geführte Ordnung. All dies ist real.
Die Methode Trump jedoch schafft neue Probleme. Nicht nur der Glaube, dass alles mit einem Deal gelöst werden könne, ist naiv. Die Gegenseite will oft keinen Deal, sie will gewinnen. Zudem müssten die Deals weitaus besser vorbereitet werden – auf der Basis des Verständnisses der geopolitischen Lage. Der Aussenminister Marco Rubio und der Sicherheitsberater Mike Waltz haben dieses Verständnis, aber Trump setzt lieber auf den völlig ahnungslosen Chefverhandler Witkoff.
Verheerend für die Versuche, ordnungspolitisch zu wirken, ist auch der Glaube Trumps, er müsse sofort bei allem einen erheblichen materiellen Gewinn für die USA herausholen. Der von Trump angestrebte Mineralien-Deal mit der Ukraine ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man guten Willen und Vertrauen zerstört.
Jetzt hat sich Trump auf eine völlig ungewisse Reise begeben: die Konfrontation mit China. Auch hier wird Trump in die Logik eines Konflikts hineingezogen, dessen Dimensionen ihm offenbar nicht klar sind. Falls nicht beide Seiten doch noch einlenken, könnte dies zu einem die neue Epoche prägenden Moment werden.
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