Die Marktreaktion auf Donald Trumps Zollpolitik gilt als sein «Liz-Truss-Moment». Die Premierministerin wurde einst von den Märkten aus dem Amt gejagt, heute lebt sie in einer gedanklichen Parallelwelt.
«Donald Trump ist Liz Truss.» Nachdem Trumps früherer Kommunikationsberater Anthony Scaramucci den amerikanischen Präsidenten in einem Tweet mit der ehemaligen britischen Premierministerin gleichgesetzt hat, ist der Vergleich in aller Munde.
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Donald Trump is Liz Truss
— Anthony Scaramucci (@Scaramucci) April 4, 2025
Tatsächlich sind die Parallelen augenfällig: Ähnlich wie Truss mit ihren ungedeckten Steuersenkungen im Herbst 2022 setzte nun auch Trump mit seinen Zöllen auf wirtschaftspolitische Abenteuer. Beide wurden von den Finanzmärkten zu einer abrupten Kehrtwende gezwungen.
Wie verlief die Krise fĂĽr Truss damals? Und was ist aus der gescheiterten Premierministerin geworden?
Die Turbulenzen vom Herbst 2022 haben sich ins Gedächtnis der Briten eingebrannt. Truss, die wenige Wochen zuvor die Nachfolge von Boris Johnson angetreten hatte, lancierte mit ihrem Schatzkanzler Kwasi Kwarteng eine radikale Wachstumsstrategie. Sie zauberten in einem sogenannten Minibudget Massnahmen zur Deregulierung und eine Vielzahl von Steuersenkungen im Umfang von 175 Milliarden Franken aus dem Hut, welche die dümpelnde Wirtschaft ankurbeln und durch neue Schulden finanziert werden sollten.
Da Truss wenige Tage zuvor auch ein gigantisches Finanzpaket zur Abfederung der steigenden Energiepreise beschlossen hatte, fehlte den Anlegern der Glauben, dass sich der hochverschuldete britische Staat diese Mehrausgaben und ungedeckten Steuersenkungen würde leisten können. Sie schickten das Pfund auf eine Achterbahnfahrt, und die Zinsen für britische Staatsanleihen stiegen dramatisch an.
Truss geriet derart unter Druck, dass sie zuerst einen Grossteil ihrer Reformen zurücknahm, dann ihren Schatzkanzler entliess und wenige Wochen später, nach nur 45 Tagen im Amt, selber zurücktrat. Die Boulevardzeitung «Metro» inszenierte einen bösartigen Wettstreit zwischen Truss und einem Kopfsalat, wobei die Premierministerin schneller verwelkte als das Gemüse.
Seit Truss im Sommer 2024 bei den Unterhauswahlen aus dem Parlament abgewählt wurde, hält sie sich mit Kolumnen, TV-Interviews und Tweets im Gespräch. Einsicht zeigt sie keine, ganz im Gegenteil: Seit einigen Monaten inszeniert sie sich immer offensiver als Opfer einer Verschwörung des sogenannten «deep state» – von dunklen Kräften innerhalb der Verwaltung, der Bank of England, der Medien sowie des politischen Establishments.
Dass die Zinsen für britische Staatsanleihen heute über dem Niveau vom Herbst 2022 liegen, ist für Truss der Beweis dafür, dass sie aus «politisch motivierter Hysterie» aus dem Amt gedrängt worden sei. Truss verkennt dabei, dass sie die Anleger damals mit ihren Plänen völlig überrumpelte. Im Gegensatz zu heute stiegen die Zinsen in der Folge sprunghaft an. Zudem war Grossbritannien damals einem hohen Inflationsdruck ausgesetzt.
Die 49-Jährige hat sich in eine Opferrolle geflüchtet und in eine Vollblut-Trumpistin verwandelt. Im Januar drohte sie Labour-Premierminister Keir Starmer mit einer Verleumdungsklage für dessen wiederholte Aussage, Truss habe die britische Wirtschaft an die Wand gefahren. Diese Woche schrieb sie im «Daily Telegraph» eine Kolumne mit dem Titel: «Donald Trump hat in so ziemlich allem recht behalten».
Als Handels- und Aussenministerin hatte sich Truss noch aus voller Überzeugung für Freihandel und für die Unabhängigkeit der Ukraine eingesetzt. Nun lobt sie Trumps Migrationspolitik, den Ausstieg aus den Pariser Klimazielen und seine Aussenpolitik namentlich gegenüber China. Die selbsterklärte politische Erbin von Margaret Thatcher beklagt auch wortreich die Deindustrialisierung in den USA und Grossbritannien.
Truss, die sich vor kurzem noch für den Abschluss von Brexit-Freihandelsabkommen mit Ländern in aller Welt feiern liess, bringt kein kritisches Wort über die Zölle über die Lippen. Trump kämpfe gegen das Gruppendenken mächtiger Kräfte an, die ihre Interessen bis zum Tode zu verteidigen bereit seien, schreibt sie vielmehr. «Mächtige Marktakteure sind nicht immer neutral, sie profitieren vom Status quo.» Und: «Ich weiss nur zu gut, wie die Märkte als Waffe eingesetzt werden können gegen Leute, die etwas verändern wollen.»
«Donald Trump ist Liz Truss», dies scheint also auch die ehemalige britische Premierministerin zu denken. Ein Unterschied sticht aber ins Auge. Während die Macht amerikanischer Präsidenten nicht vom Kongress abhängt, sind britische Premierminister unmittelbar auf die Unterstützung ihrer Fraktion im Unterhaus angewiesen. Am Ende waren es die konservativen Abgeordneten, die mit Blick auf die dramatischen Entwicklungen in den Märkten und in den Meinungsumfragen zur Tat schritten und sich der irrlichternden Premierministerin entledigten.
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